Nach dem gestrigen Sieg der Pfälzer Aufsteiger gegen den amtierenden Doublegewinner konnte man aus deren Umfeld Stimme hören, die von einem verdienten Sieg sprachen.
Dies sei entschuldigt, wenn wir mal all die Emotionen aus dem Spiel und das bekannte Thema aussen vor lassen.
Für die Niederlage des FC Bayern gab es trotzdem gute – und belegbare – Gründe.
1. Der Spielplan
Trainer van Gaal hat schon recht, wenn er sagt, dass Spiele gegen euphorisierte Aufsteiger an den ersten 5 Spieltagen besonders schwierig sind. Kaiserslautern machte da keine Ausnahme. Und der Spielplan spielte ihnen in die Hände. Letzte Woche der Auswärtssieg beim Lieblingsgegner. Einer Mannschaft, die nur deshalb nicht schon im letzten Jahr abgestiegen ist, weil es leider genug andere Teams gab, die noch schlechter agierten (in diesem Zusammenhang kommt mir übrigens gerade noch die damalige Niederlage der Kölner in Lautern wieder hoch, die den Abstieg der Pfälzer in die dritte Liga verhinderte…). Und dann eben gegen die Bayern. Ein Heimspiel dem die ganze Region nun schon seit vier Jahren entgegenfiebert.
2. Die Vorbereitung
Es geht fließend weiter. Denn – und das ist doch wohl allen klar – wenn der FC Bayern ein vollständige Vorbereitung genossen hätte (wie eben ein FCK), dann hätten wir wohl kein 0:2 erlebt.
3. Die WM
Altes Thema. Gehört zu den Punkten 1+2. Somit sind wohl alle Bayern-Gegner in den nächsten Wochen noch leicht im Vorteil. Je weiter die Zeit voranschreitet, desto geringer wird er. Pech für die Spät-Hinrunden-Gegner.
4. Die Chancenverwertung und Konzentration vor dem Tor
Die Bayern hatten Chancen. Und zwar jede Menge. Die beste war die erste 100%tige. Hätte Müller diese genutzt (warum nicht, siehe 1-3), wäre es ein anderes Spiel geworden. Ebenso die massive Drangperiode zu Beginn der zweiten Halbzeit. Gleiche Phrase: Eine Verwertung und wir hätten ebenfalls ein anderes Spiel gesehen.
Ist alles nicht passiert. Immer fehlte etwas. Sei es die Übersicht (herrlich hier van Gaal: „Wir sind der FC Bayern. Müller muss seine Nebenleute sehen!“), die Konzentration oder die Flanken (Pranjic! Lahm!!).
Im Gegensatz dazu die Lauterer? Drei Chancen, zwei Tore in 66 Sekunden. Ohne Worte.
5. Die Geschwindigkeit
Jetzt mal ehrlich: Wann hatte der FCK die meisten Probleme? Als die Bayern s c h n e l l spielten. In diesen Phasen hatten die Bayern ihre größten Gelegenheiten. Wieso merkt man sowas als Spieler nicht und gibt dem Gegner somit den spielerischen Knockout? Kommen hier wieder die Punkte 1-3 ins Spiel?
Der FCK hat weiterhin eine gute Zweitligamannschaft, aber wenn man sein eigenes Potential so wenig durchsetzt, dann hat eben auch dieser Zweitligist die besten Chancen auf drei Punkte.
6. Arjen Robben
Meine Güte. Selten war es überdeutlicher, wie sehr uns ein Robben fehlt. Oder jemand, der dem zugedeckten Ribéry Entlastung verschafft. Robben ist Geschwindigkeit, Robben ist Verwirrung, Robben ist Gefahr für jeden Gegner.
Nichts, oder kaum etwas davon, sah man im gestrigen Spiel.
Das Wolfsburg-Spiel war da wohl für viele ein wenig Augenwischerei. Gut, dass es dort trotzdem zu drei Punkten gereicht hat.
7. Leidenschaft
Bei all der fehlenden Klasse der Lauterer und bei all unserer Überlegenheit in fast allen messbaren Werten: Leidenschaft kann man auch erwarten, wenn man 60 oder 80 Spiele der Vorsaison in den Beinen hat, oder?
Bis zur starken Bayern-Phase rund um die Müller-Chance war das doch Schlafwagen-Fußball der Bayern. Hätten wir direkt vom Anpfiff weg die Power wie nach dem Seitenwechsel gehabt, das Spiel wäre schnell entschieden gewesen. So aber hatte Lautern nach dem 2:0 die Chance, mit der eigenen Leidenschaft in der Defensive, die Räume noch enger zu staffeln und das Ergebnis über die Zeit zu retten.
Kein Vorwurf an dieser Stelle an unseren limitierten Gegner. Die Lauterer fuhren eine klare Pokalspiel-Strategie. Und die Bayern waren nicht dazu in der Lage dieses Problem zu lösen.
8. Holger Badstuber
Ich habe ja lange „gehalten die Schulter“ über ihn. Und seine Spielweise in der Vorsaison auf die falsche Position geschoben. Aber im gestrigen Spiel kamen mir all diese Szenen (vor allem aus der CL-Vorsaison) wieder in den Sinn. Holger Badstuber ist für mich der Inbegriff des hölzernen Spielers. Da ist so gut wie keine Geschmeidigkeit. Ok, muss ja auch nicht. Aber gestern war da – zum Beispiel – dann wenigstens noch nicht einmal der Charakter eines Fels in der Brandung zu spüren. Da war nur Unsicherheit. Und das haben seine Gegenspiel auch recht schnell gemerkt. Sein Fehler vor dem 0:2? Kann passieren. Er ist jung. Seine Unsicherheiten in der zweiten Halbzeit, als er mehrmals a la Serbien-Spiel von Gegenspielern auf dem Flügel dübiert wurde? Übel. Und zur Krönung dann die Szene, als er seinen Gegenspieler abgedrängt glaubte, abdreht, dieser aber durchzieht und im Hechtsprung ihm den Ball noch an den Oberschenkel schnibbelt und somit eine Ecke herausholt. Da war bei mir der Geduldsfaden gerissen.
Ich sehe da keine Entwicklung. Und irgendwie entdecke ich bei ihm wesentlich mehr WM-Loch als bei einem Thomas Müller, dabei hat Badstuber doch nur einen Bruchteil von dessen Spiele absolviert. Und dazu dann noch sein Phlegmatismus. Schlimm.
9. Das Defensivverhalten
Es war allerdings nicht nur Badstuber, der uns zu denken geben sollte, wenn wir schon gegen einen Aufsteiger, der – und diese Zeit wird kommen – über die gesamte Saison wohl gegen den Abstieg spielen wird, in der Defensive Probleme haben (wie lange schauen wir uns Contento an?).
Sicher, ein Ribéry hat auch nicht gerade jeden Gegenspieler über das gesamte Spielfeld gejagt, aber von einem van Bommel darf ich das schon eher erwarten und der gute Mark ist viel, viel tiefer in der Krise als zum Beispiel Schweinsteiger. Und somit sind wir dann nun einmal wesentlich anfälliger im Rückwärtsgang.
Womit sich der Kreis schließt.
In den nächsten Wochen wird es besser werden, muss es einfach besser werden, denn mit diesen Voraussetzungen war aktuell (noch) nicht mehr zu erwarten. Das wussten wir – dachten allerdings, dass es nach Supercup, Pokal und Wolfsburg-Spiel schon viel besser aussähe. Sieht es nicht. Zumindest Stand gestern.
10. Das Stadion, die Fans, die Stimmung, die Hölle und das Fritz-Walter-Wetter
Alles Schmarrn.
Wie es van Bommel nach dem Spiel völlig korrekt sagte: Wir haben in der letzten Saison Championsleague gespielt, zum Beispiel in Old Trafford. Da ist mehr Musik drin.
Und tatsächlich habe ich da in den letzten 30 Jahren schon wesentlich schlimmere Erlebnisse gehabt. Standard würde ich sagen. Der Rest ist vom Lauterer Umfeld (Pfeifen im Walde) und den Medien (Sensation!) geschürt.
Aber wie sagte es doch der (während des Spiels wie ein Geisterkranker umherirrende und nach Spiel zumeist ganz normale) Lauterer Trainer nach Spielschluss im Interview:
„Das werden jetzt alle Mannschaften hier erleben.“
Nö, denke ich nicht.
Denn wenn den Pfälzern all die grauen Mäuse und nicht minder destruktiven Bollwerke der Liga über den Weg laufen, ist es schnell vorbei mit der Herrlichkeit – denn ein Spiel aktiv gestalten ist etwas ganz anderes, als sich mit zwei 5er-Ketten am eigenen Strafraum zu versammeln und auf schnelle Konter und zwei defensive Mega-Aussetzer in der Abwehr des Gegners zu setzen (womit wir wieder bei den gestrigen Schwächen der Bayern wären).
Einfach mal abwarten was die nächsten Wochen für beide Teams so bringen.
Das einzig Positive an der nun anstehenden Länderspielpause ist, dass sich ein Arjen Robben erholt und (ein gesperrter) Ribéry ungestört seinen Rückstand aufarbeiten kann, während keine Pflichtspiele diese Bayern-Schwäche zementieren.