Von bayerischen Dominas, 1979 und jeder Menge Irritation

Dieser Tage geistert eine Dominanzdebatte durch die Medien. Den sozialen wie den „richtigen“ Medien. Bislang verfolgte ich diese Diskussionen kopfschüttelnd bis amüsiert. Zum Thema wurde es für mich erst, als ich irritierende Tweets las, die davon sprachen, dass „die Bundesliga tot sei“, „langeweilig sei“ und „Bayern die Liga kannibalisiert“. Nun, dieser Beitrag ist das Ergebnis einer Zusammenstellung und Filterung meiner multiplen Gedanken (aktuell und früher) zu diesem Thema.

Der FC Bayern ist Marktführer in der Bundesliga, Branchenprimus – aktuelle Wirtschaftsdaten (auch im Vergleich zu allen anderen Bundesligavereinen) belegen dies. Er ist dies ferner nicht erst seit gestern. Aber war er es immer? Nein. Zum einen, weil es derlei Definition aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Wertung des Fußballs erst seit dem „Boombeginn“ in den 90ern gibt (Steigerung rund um WM-Vergabe 2000) und zum anderen weil es z.B. in den 60ern in Deutschland einen 1.FC Köln unter Kremers, in München – rund um den BL-Aufstieg des FC Bayern – einen TSV 1860 und auch in den 70er und vielleicht noch 80er oder 90er – Jahren Konkurrenz auf (wirtschaftlicher) Augenhöhe gab.

Die Olympischen Spiele 1972 bescherten München und dem FC Bayern ein Olympiastadion (BTW übrigens auch 1860), welches unmittelbar die Grundvoraussetzungen für Volumen und Komfort in Sachen Zuschauereinnahmen verbesserte (unvergessen jenes ausverkaufte „Endspiel“ um die Deutsche Meisterschaft 1971/72 gegen den FC Schalke 04). Einerseits. Andererseits hatte der FC Bayern bis Anfang / Mitte der 90er einen Zuschauerschnitt von zumeist 30.000 bis 40.000. Erst danach kletterte die Auslastung langsam und stetig Richtung 100 Prozent. Bleiben also die „Millionen“-Einnahmen für einzelne Top-Spiele. Natürlich. Vor allem in Anbetracht der damaligen Abhängigkeit der Vereine von eben diesen Eintrittskarteneinnahmen (um die 80%?). Mein Lieblings-Gegen-Argument in diesem Zusammenhang? Die „Heimspiele“ der Gladbacher Borussen in Düsseldorfer Rheinstadion oder in Müngersdorf.

All dies beschreibt die Gesamtsituation der Bundesliga und des FC Bayern bis in die 90er-Jahre imho ganz gut. Für mich ist aber ein anderes Datum viel bedeutender: Der 01.05.1979. An diesem Tag wurde Uli Hoeneß zum Manager des FC Bayern München e.V. und übernahm den Verein mit 7 Mio. DM (3,5 Mio. Euro) Schulden und 12 Mio. (6 Mio. Euro) Umsatz (pro Jahr). Wer würde im Zusammenhang mit diesen Zahlen von einer Dominanz der Bayern sprechen? Ich spreche von der Stunde Null des heutigen FC Bayern. Warum ist mir das wichtig? Weil es mir um Arbeit geht. Und um Professionalität und Konstanz. Wie z.B. auch bei Borussia Dortmund seit 2005.

Uli Hoeneß fing an zu arbeiten. Schon ein Jahr zuvor fädelte er den Sponsorenvertrag mit dem Ulmer Unternehmen Magirus Deutz ein und ermöglichte so mittelbar die Rückkehr seines Freundes Paul Breitner zum FC Bayern. Ein entscheidender Meilenstein für die frühen Erfolgen seiner Amtszeit (Meister 1979/80, 1980/81, Pokalsieg 1982, Endspiel Europapokal der Landesmeister 1982).

Man mag es glückliche Fügung nennen, dass ausgerechnet ein Spieler, Mensch und Manager wie Hoeneß dem FC Bayern 1970 über den Weg lief, aber eben jener Hoeneß war und ist geschäftstüchtig. Als Spieler (kein Sponsorentermin war vor ihm sicher) und erst recht als Manager. Nicht umsonst wuchsen Umsatz und Gewinn unter Hoeneß beim FC Bayern in heutige Dimensionen.

Gerne kann man einwenden, dass die heutigen Dimensionen erst durch massive Unterstützung von Außen und den Einsatz von Großkonzernen zustande kam (dunkle Kapitel wie den Kirch-Skandal können wir gerne einmal getrennt diskutieren), aber Hoeneß schaffte die Rahmenbedingungen, die die Attraktivität für derlei Sponsoren ergab. Die Politik der „kleinen Schritte“, die aber stetig nur in eine Richtung gingen. Nach Magirus Deutz und Iveco Magirus kamen Commodore, Opel und später die Deutsche Telekom. Im Rahmen dieses Vertrages konnte sich der FC Bayern 2002 seinen Hauptsponsor aussuchen, man stand Schlange (obwohl der Vertrag mit Opel imho vorzeitig aufgelöst wurde).

Apropos Nachhaltigkeit. Beim FC Bayern wird langfristig gedacht. Langfristige Partner bleiben langfristig an den Verein gebunden. Warum entschied sich der FC Bayern damals für das schlechtere Ausrüster-Angebot und schlug Nike in den Wind? Weil man Adidas später dann gar Anteile an der AG verkaufte. Im beidseitigen Einvernehmen.

Warum erwähne ich all das, noch dazu in epischer Breite? Weil wirtschaftliche Stärke – von mir aus „Dominanz“ – nicht aus der Luft kommt. Insofern man nicht Paris St.Germain oder Manchester City & Co. heißt. Derlei muss wachsen, vor allem muss man als Verein einen Plan und eine gewisse Struktur und Kontinuität an den Tag legen und ja, heutzutage wird es evtl. kaum mehr möglich sein, ein zweites FC Bayern München zu werden, aber man wird es sicher nicht, wenn man so agiert wie z.B. BVB & S04 vor dem großen Kollaps.

Was spräche dagegen, dass Hertha BSC, Frankfurt, HSV, Stuttgart oder eben Dortmund und Schalke aufgrund ihrer Stärken, die entweder im Fan-Potential, der Infrastruktur, regionaler Wirtschaftskraft oder konkurrenzlosem Einzugsgebiet zu einer konstanten Stärke finden können, die die Bayern „auf Trap“ hält? Wenn man die oben beschriebenen Voraussetzungen erfüllt? Nicht viel, meiner Meinung nach (P.S. Wer von den Großkonzernen spricht, die hinter dem FC Bayern stehen, der sollte Vereine wie z.B. Leverkusen, Wolfsburg oder Hoffenheim nicht unerwähnt lassen – warum sind diese Teams aber nicht schon längst dauerhaft in der deutschen Spitze vertreten? Denkt man drüber nach).

Wäre es anders, wären die Bayern ja seit den 80ern Dauer-Meister, oder?

Ach, die aktuelle Dominanz gibt es ja erst seit dem Double des BVB 2012? Warum erst seit dieser Spielzeit (und nicht schon seit dem Einzug in die Allianz Arena 2005 mit all den Logen und Vermarktungsmöglichkeiten?)? Warum „dominieren“ die Bayern erst seit 1,5 Spielzeiten? Weil die Bayern auf einmal noch viel bessere Rahmenbedingungen vorfinden als bis 2012? Die Einnahmen explodiert sind, man sich alle Stars der Welt zusammen gekauft hat? Wohl kaum. Nein, all das blieb unverändert. Es war eine Veränderung im Konzept. Nämlich tatsächlich erst einmal ein Konzept zu haben. Seit 2009 also. Seit van Gaal. Wieso aber wurden wir dann nicht wenigstens seit 2009 zum Dauermeister? Weil so eine Entwicklung wachsen muss. Auch und gerade bei einem Verein wie dem FC Bayern. Grundlagen van Gaal, Optimierung Heynckes und dann so ein Vize-Jahr wie 2012. Es war eine besondere Situation, die das gesamte Team, den gesamten Verein antrieb, eine solch fabelhafte Saison 2012/13 zu spielen. Ähnlich der Motivation nach Barcelona 1999 bis Mailand 2001.

Kritik würdig, bzw. ernüchternd erscheint offenbar, dass es den Bayern nach diesem Triple gelungen zu sein scheint, noch einmal alles zu hinterfragen und auf ein neues Level zu heben. Eine Herausforderung, an der 2001 sowohl der Verein als auch seine Führung unter Hoeneß & Hitzfeld gescheitert ist. Die Kritiker mögen einwenden, dass das ja kein Kunststück sei, wenn man dem weltbesten Team den weltbesten Trainer zur Seite stellt. Und dann noch so viel Geld beim Gehalt investieren kann. Sicher, Geld spielt immer eine Rolle, aber gerade Guardiola konnte sich jeden Verein der Welt aussuchen und viele davon hätten ihm auch noch einmal wesentlich mehr Gehalt bezahlt, aber trotzdem hat sich Pep für München entschieden. Weil er vielleicht vom Konzept überzeugt war und ist? Auch so etwas muss man sich erarbeiten und kann es sich (auf diesem hohen Niveau) nicht erkaufen.

Oder man macht es wie Borussia Dortmund, die aus einer Not eine Tugend machten und – am Boden liegend – einem jungen Trainer wie Klopp alle Freiheiten und Zeit der Welt ließen. Ergebnis? Mit nachhaltigem Aufbau aus der Asche der Fastinsolvenz (weil man mit aller Macht Jahrzehnte an Rückstand aufholen wollte und eingeplante Einnahmen wegbrachen), kreierte Klopp eine Mannschaft, die die Bayern zwischen 2010 und 2012 – Entschuldigung – dominierte. Verrückt.

Kann man imho über das Thema Geld, Sponsoren und wirtschaftliche Dominanz noch ausgiebig diskutieren, wird es beim Thema „Kannibalisierung“ der Bundesliga schon enger. Fast alle Nicht-Bayern-Fans sind ja mit den gleichen Vorurteilen aufgewachsen. Vorurteile, die vieles einfacher machten und von Generation zu Generation vererbt wurden. Bitte. Danke. Ich konnte darüber immer schon nur schmunzeln. Bayern immer nur mit Glück? Über 40 Jahre Bundesliga? Vielleicht sollte man dann eher eine Lottobude an der Säbener Straße aufmachen – bräuchte man sich dann um Sponsoren doch nicht mehr so intensiv zu bemühen. Aber zurück zu „der FC Bayern kauft der Konkurrenz die besten Spieler weg, um sie zu schwächen“.

Ich kann mich nicht erinnern, wie oft ich dieses Thema schon diskutiert habe. Und es wird nicht sinnvoller. Betrachten wir es zunächst einmal von der finanziellen Seite. Wäre es nicht betriebswirtschaftlicher Wahnsinn, wenn ein Verein massiv Geld verbrennt, weil er in Spieler investiert, die er nicht braucht und sie „auf der Bank versauern lässt“, weil so der aktuelle Konkurrent entscheidend geschwächt wird? Nein? Man glaubt also ernsthaft, dass dies eine Strategie war, die hinter den Führungstüren an der Säbener Straße Sommer für Sommer neu entwickelt wurde, welchen Spieler man also als nächstes „für die Bank kauft“? Sicher.

Richtiger ist da schon eher, dass ein FC Bayern diesen Spieler immer haben wollte, weil er sich davon eine Verbesserung der eigenen Stärke versprach und im Rahmen des eigenen Scoutings traditionell immer weitaus weniger erfolgreich war, als z.B. Vereine wie Leverkusen oder Bremen. Wir legen hier besser den Mantel des Schweigens über die meisten Transfers aus Südamerika. Das Umfeld des FC Bayern ist nun einmal schwieriger als es in Leverkusen, Bremen oder sonst wo immer war, was unbekannte Rohdiamanten aus dem Ausland oder unteren Klassen betrifft. Was ist daran zu kritisieren, wenn man als Verein irgendwann diesen Umstand akzeptiert und nur noch auf „akklimatisierte“ Bundesligaspieler setzt, die sich über den „Umweg“ der BL-Konkurrenz etabliert und „sichere“ Transfers darstellen?

Tatsächlich ist dieses Thema ambivalent, denn ein FC Bayern war ja selbst viele Jahre das „Transfer-Opfer“ (ausländischer) Kannibalen-Konkurrenz. Man denke nur an die Transfers der Sportkameraden Rummenigge (1984, Inter), Brehme, Matthäus (1988, Inter), Kohler, Reuter (1991, Juve), Effenberg, Laudrup (1993, Florenz), Ziege (1997, Milan). Andere Zeiten, vor Bosman, aber der Verein war damals noch in einer völlig anderen Position als heute. Viele dieser Transfers waren Schlüsselspieler und auch ein FC Bayern brauchte im Nachgang Ersatz und suchte sich diesen in der Bundesliga, reinvestierte quasi die Transfereinnahmen und pumpte Geld in den Bundesligakreislauf. Noch ein Lieblingsbeispiel in diesem Zusammenhang: Der Karlsruher SC. Auch unter dem Aspekt, dass ein FC Bayern in der Bundesliga immer einen gewissen Zuschlag berappen musste, den andere Teams nicht hätten bezahlen müssen, vor allem, wenn man wusste, dass die Bayern mal wieder frisches Geld aus dem Ausland bekommen hatten. Kapitalismus eben, kein Ding. Sternkopf, Scholl, Tarnat, Fink und Kreuzer. Damals gab es den launigen Spruch, dass die Bayern dem KSC die neue Luxus-Tribüne finanziert haben. Mein Thema: Richtig Erfolg hatte der KSC erst nach all diesen Transfers („Euro-Eddy“ & Co.). Abwärts ging es dann im Rahmen von Konzepten a la „KSC 2000“. Wie auch immer. Ein Karl Del’Haye muss auch heute noch als Kronzeuge herhalten.

Nicht alles an diesen Transfers war schlecht für den FC Bayern. Mit dem Rummenigge-Transfer war der FC Bayern 1984 endgültig schuldenfrei, selten zuvor erzielte man einen größeren Transfer-Überschuss als beim Hargreaves-Wechsel nach Manchester. Irgendwann setzte aber auch in München ein Umdenken ein, dass man vielleicht das eigene Geld eher in den eigenen Verein investieren und nicht mehr nur an die Konkurrenz überweisen sollte. Die Geburtsstunde des heutigen Jugendkonzeptes. Die ersten Jahre brachten nicht die Erfolge wie bei der Konkurrenz in Stuttgart, Gladbach oder Leverkusen, aber gleichwohl erhöhte sich die Quote der Eigengewächse im Kader. Nachhaltigkeit führt zum Erfolg – auch hier. All die Lahms, Müllers, Schweinsteigers, Badstubers & Co. wachsen nicht auf den Bäumen und dafür braucht es vielleicht doch einige Generationen an Jugendjahrgängen, aber dort, in diesem Bereich investiertes Geld zahlt sich immer aus. Ein Vorwurf der „Kannibalisierung“ der Bundesligakonkurrenz ist imho abwegig. Aus Gründen. Zum Beispiel, weil es schon immer so war, das höherklassige Vereine das Ziel von Spielern aus niederklassigen Vereinen/Ligen war. Kein Argument? Ein Mario Götze per Ausstiegsklausel aus seinem Vertrag zu kaufen ist ein schlüssiges Argument für „Kannibalismus“? Viel schlüssiger als ein AK-Transfer von Marco Reus von Gladbach nach Dortmund? Und Götze zu Bayern ist „böse“, Sahin nach Madrid, Kagawa nach Manchester aber „gut“?

Ein BVB war bei Götze gezwungen, eine Ausstiegsklausel in den Vertrag zu schreiben. Vielleicht ändert sich dies einmal grundsätzlich in der Zukunft, wie es z.B. bei den Bayern schon länger üblich ist. War er deshalb aber per se Objekt der Begierde in München? Nein, man wollte ihn, weil er in unser Konzept passt, ein Spieler für die Zukunft ist, für eine Zukunft ohne Ribery & Robben. Robert Lewandowski hat keine AK in seinem Vertrag, er spielt weiterhin für Dortmund und hilft dort, die berauschende letzte Saison zu bestätigen. So läuft’s Business. Mit den Einnahmen der letzten Saison „kannibalisierte“ Borussia nun bei Shakhtar Donetsk (Mkhitaryan, 27,5 Mio. Euro), AS Saint-Étienne (Aubameyang, 13 Mio. Euro) und Werder Bremen (Sokratis, 9,5 Mio. Euro). Und jetzt? Nix.

Was ist aber jetzt mit all diesen Rekorden?

Die sind für mich ein Medienthema. Inzwischen. Anfangs war es mir vielleicht noch wichtig, zuvor aufgestellte BVB-Rekorde direkt wieder zu kassieren (man darf auch davon halten, was man will), aber diese Zählung und Erfassung überlasse ich anderen. Und ja, es mögen in diesen Zeiten sog. Uralt-Rekorde fallen, aber die Listen, die man dann so über den Zaun geworfen bekommt, sind imho noch „konstruierter“ als letzte Saison. Warum? Weil sich die Autoren Aufmerksamkeit, Clicks und Auflage erhoffen. Keine Frage, die Rekorde bleiben Fakt und ich will sie nicht klein reden, aber was werden diese Rekorde irgendwann für die Gegenwart aussagen, wenn die aktuellen Serien des FC Bayern enden? Wenig.

Und wer kann schon in die Zukunft schauen und garantieren, dass der Status quo auf Jahrzehnte hinaus bestehen bleibt? Wer weiß, was mit dem Verein FC Bayern nach einer Inhaftierung der Gallionsfigur Uli Hoeneß passiert? Werden wir auch in Zukunft die richtigen Entscheidungen treffen? Werden weiterhin so viele Topstars nach München wollen und wir parallel und weiterhin all die Müllers, Lahms und Schweinsteigers aus dem eigenen Nachwuchs zu diesen Weltklasse-Spielern ausbilden und formen können? Die Angst, die viele Kritiker der aktuellen bayerischen Dominanz umtreibt ist doch eher die Angst davor, dass es – zum ersten Mal in der Geschichte des Fußballs – eine Mannschaft schaffen könnte, „unschlagbar“ zu sein. Übertreibe ich an dieser Stelle? Ich glaube nicht, zumindest wenn ich diese Befürchtungen beschreibe. Persönlich kann ich diese Angst nicht teilen. Zeiten kommen, Zeiten gehen. Wahrscheinlich wird es so sein, dass wir uns – sollte sich nicht etwas Grundlegendes in der Statik des Welt- oder europäischen Fußballs verändern – wohl von romantischen Märchen verabschieden können, wie „in der Bundesliga kann jeder jeden schlagen“. Geschenkt. Aber will man ernsthaft abstreiten, dass es auch in Zukunft Mannschaften, Trainer, glückliche Fügungen (als Kombinationen aus Trainer und Mannschaften) geben wird, die die Dominanzen anderer Mannschaften beenden werden? Barca hat über einige Jahre Europa dominiert. Und wurden von uns in der letzten Saison auseinander genommen. Ob es erneut dazu kommen wird, wenn wir heuer auf sie treffen? Ich bin mir da noch nicht sicher.

Ich bin mir aber sicher, dass ich als Bayern-Fan zur Zeit dankbar eine Ära erlebe, von der ich schon als kleiner Junge immer geträumt habe – dass der eigene Verein Erfolge auch auf europäischer Ebene feiern kann, dass in meiner Mannschaft Automatismen existieren, die Siege wahrscheinlicher machen. Wer hier einen Widerspruch zu obigem Absatz sieht, dem sei gesagt, dass hier nur der emotionale Teil, der Fan-Teil spricht. Logisch, dass ich derlei gut finde. Der andere, menschlich-rationale Teil, ist sich durchaus bewusst, dass alles endlich ist.

Wir Bayern-Fans hoffen darauf, dass sich dieser Zeitpunkt noch ein wenig hinauszögert, aber er wird kommen – ganz sicher.

Super. Super. Super. Cup.

Mir ist danach. Dann wollen wir mal.

Die Saison 2013/14 ist noch nicht sonderlich alt und nicht wenige Fans des FC Bayern hängen noch an den Gesängen, an den Erlebnissen und Bildern der so herrlich erfolgreichen Vorsaison. Nicht, dass wir Erfolg nicht schon länger kennen würden, aber dieser Erfolg war größer. Und vor allem schöner (erspielt) als zuvor.

Es gehört zum Leben, dass, wo Licht ist, auch Schatten sein kann. Nicht anders ist dies bei uns. Gar erscheint es so, als suche man Schatten, wenn das Licht zu grell erscheint. FC Bayern eben. Fans, Verantwortliche, Medien.

Was ist denn aber nun so schattig bei unserem Lieblingsverein? Viel, sagen die Einen. Wenig, die Anderen. Ich bin, ihr kennt mich, in der Mitte.

Für mich war das Remis in Freiburg weder der Untergang des bayerischen Abendlandes, noch habe ich „diese Entwicklung kommen sehen“. Ich sehe vor allem eine Sache: Entwicklung. Im Team, im Umfeld, in systemrelevanten Elementen. Und das ist mehr, als ich 2001/02 sah. Ergebnis: bekannt.

Wer jetzt glaubt, dass wir besser alles so belassen hätten wie im Mai, um einfach nur weiter, immer weiter zu siegen, ist einerseits naiv oder in anderer Form in der jüngeren Vergangenheit hängen geblieben. Nicht, dass das schlimm ist. Ich schau‘ mir immer noch alle paar Wochen das Finale an, oder besser die Aufzeichnung der letzten Minuten. Aber ich bin auch Fan. Wäre ich hingegen Verantwortlicher beim FC Bayern, wäre diese Nostalgie doch eher fahrlässig.

Nein, meiner Meinung nach gab es nie einen besseren Zeitpunkt als jetzt, die Schneisen zu schlagen, wie wir sie gerade sehen und erleben. DonJupp wurde zu Lebzeiten zur bayerischen Legende und verbrauchte seinen CL-/Triple-Ruhm nicht im profanen Tagesgeschäft. So wie es Hitzfeld nach 2001 erleben musste. Also zumindest bei den… sportlich Verantwortlichen in München. Und – ganz ehrlich – wie perfekt passt da ein Neu-Trainer wie Guardiola ins Mosaik? Welcher Großverein (mit entsprechender Vakanz und Öl- oder Sonstwas-Millionen im Hintergrund) wollte Pep nicht haben? Wohin ging er? Zum FC Bayern. Unserem FC Bayern. Noch bevor wir mit dem Triple im Kreis der Großen weitere Stufen nach oben stiegen. Er wollte explizit zu uns, verzichtete auf viel Geld, begründete seine Entscheidung u.a. damit, dass „er in München die Spieler vorfindet, die er für _seine_ Idee von Fußball braucht“. Noch mehr als in Barcelona. Ungläubiges Staunen bei mir, als ich dieses Zitat zum ersten Mal las.

Seine Kritiker (also die, deren Uhr am 26.05. stehen geblieben ist), werfen ihm ja u.a. vor, dass er im Prinzip nur das Barca-System auf den FC Bayern übertragen will. Mhm. Allein diesen Ansatz halte ich fast undurchführbar. Die Bayern sind – in Deutschland – was den Output ihrer Jugendabteilung betrifft sicher keine kleine Nummer, aber hinter Barca kann man sich verstecken. Kaum ein aktueller Bayern-Spieler (wenn überhaupt mit Jugend-Historie beim FCB), spielte doch seit frühester Jugend das System, welches beim FC Bayern seit van Gaal oder von mir aus Heynckes gespielt wird. Woher soll diese fundamental wichtige Barca-Grundlage kommen?

Dann, weitere Zitate von Pep, die mehr als nahelegen, dass er sich dem FC Bayern anpassen, seine Idee von Fußball im Rahmen der Münchner Verhältnisse umsetzen will. Wir sind gerade Zeuge dieses Prozesses.

Guardiola lässt langweiligen van-Gaal-Fußball spielen? Die Dortmunder sind drauf und dran uns zu enteilen? Let’s face it, Leute: Der BVB ist ein ernst zunehmender Konkurrent! Wer geglaubt hat, dass wir die Dortmunder ein zweites Jahr so unfassbar dominieren würden, der hebe bitte die Hand… Ah, ok. Danke. Bitte. Jürgen Klopp muss man nicht mögen. Aus allen denkbaren Gründen. Aber ein Hasardeur ist er nicht. Sein Erfolg in Dortmund ist kein, ich wiederhole kein Zufall. Und warum sollte nur der FC Bayern die Fähigkeit zur Selbstreflexion gepachtet haben? Wir haben vor der Saison 2012/13 an den entscheidenden Schrauben gedreht, der BVB nun an seinen. Ergebnis: Weniger Punktverluste. It’s that simple, stupid.

Wir spielen Europäischen Supercup (s. unten), erleben Terminverschiebungen und ein Flutlichtspiel in Freiburg. Hatten wir in dieser Konstellation dort schon mal Probleme? Ja? Ach?!

Im Ernst: Der FC Bayern befindet sich in einem Prozess des Umbruchs. Am Ende dieser Entwicklung werden wir imho stärker sein als je zuvor. Daran glaube ich. Hätten wir uns in 12, 18, 24 Monaten verbessert, wenn wir nichts verändert hätten? Hätte sich der Jupp-Jubel-Hero-Effekt nicht doch irgendwann abgenutzt? Wäre die wir-haben-das-Finale-Dahoam-verloren-und-zeigen-es-jetzt-allen – Motivation nicht irgendwann abgeebt? Nein, diese Veränderung jetzt ist erforderlich. Und weil ich davon überzeugt bin, macht mir so ein Remis in Freiburg auch nicht so viel aus, wie offenbar einigen Bayern-Fans, die das Verlieren verlernt haben. Kein Vorwurf, ich brauchte auch einige Zeit, um vom Triple-Trip wieder herunter zu kommen…

Sollte am Ende des Tages der BVB nun eine Saison hinlegen, wie wir sie in die Annalen gebrannt haben, dann gratuliere ich artig und bin beeindruckt (weil ich eine solche Saison schlichtweg für nicht reproduzierbar halte (ähnlich wie Klopp 2012 (*g*))). Es wird imho nicht passieren. Beim FC Bayern ist aktuell viel mehr Luft nach oben als beim BVB. Womit ich nicht in Abrede stellen will, dass sich der BVB nicht noch weiter steigern könnte, aber bei uns gibt es einfach zurzeit noch mehr Baustellen. Irgendwann wird sich Peps System implementiert haben. Irgendwann werden (alle!) unsere Spielstützen fit sein. Irgendwann wird Götze die erwartete Verstärkung sein. Irgendwann werden wir weiter sein als jetzt.

Ob der BVB dann schon uneinholbar enteilt sein wird? Unsinn. Die Marketingstrategen des Produktes „Bundesliga“ werden das nicht gerne hören, aber die beiden Topteams der Liga können inzwischen ihre Standard-Punkte auch mit 70-80% ihrer Leistungsgrenze einfahren. Im direkten Duell und für höhere Aufgaben, oder einzelmotivierte Partien (Freiburg) wird es vielleicht mal eng, aber ansonstem läufts. Imho.

Apropos Freiburg (und um das Thema abzuschließen):

Dieses Spiel darf ein FC Bayern auf gar keinen Fall mit einem Remis beenden. Gescheitert ist der 3-Punkte-Plan in erster Linie an der bayerischen Überheblichkeit vor dem Breisgau-Tor. Und dem Matchplan für das Endspiel um den europäischen Supercup. Denn der warf hier schon seine Schatten voraus. Punkt.

Womit wir wieder beim Thema „Licht“ wären. Grellem Licht. Flutlicht in den Wohnzimmern der Nation gar. Hatten wir noch Zweifel, ob Peps offensichtlicher Plan für Freitag aufgehen würde – das Gesamtkunstwerk strafte uns Lügen. Diese Emotion hatte ich zuletzt beim Finale in Wembley. Sicher, so arg lang ist das noch nicht her, tatsächlich reihte sich dieses Endspiel aber in meine All-time -Topspiele ein. Auf dem Level all der Endspiele zuvor. Hier gab es aber noch eine Steigerung, die die anderen Erlebnisse nicht in den Schatten stellt, meine Erinnerungen aber zu etwas Speziellen macht.

Unsere Fans. Vor Ort.

Ein Erlebnis, welches „die Prag-Fahrer“ ihr Leben lang nicht vergessen werden (ich kenn‘ inzwischem eine Handvoll dieser „Allesfahrer“ und kann sie deshalb ein bißchen einschätzen). Warum? Weil man die Vorgeschichte berücksichtigen muss. Die Ambivalenz des FC Bayern und seiner Fans. Auch und gerade in der jüngeren Geschichte. Bewertet man den Abend in Prag mit all diesen Hintergründen, muss man als Bayern-Fan nur sprachlosest begeistert sein. Selbst der – zuletzt etwas verkümmerte – Fan in Uli Hoeness ließ sich hier mitreissen. Nicht überliefert ist bislang, was die Salweski-Fraktion emotional von diesem Abend hält…

Nicht alles am und im Spiel gegen Chelsea war perfekt oder in einer Form, wie wir sie vielleicht einmal unter Pep erleben werden, aber große Teile des Spiels und der Dramaturgie bilden mit Sicherheit die Grundlage für mögliche künftige Legenden. So sehen diese Initialzündungen aus. Für eine echte Bindung zwischen Team und Neu-Trainer. Für zukünftige Mechanismen. Für das Erreichen unserer Ziele. Für unsere Entwicklung.

Nach Freiburg kam Prag. Und für mich fing die Saison jetzt noch einmal an. Schon jetzt ist hier eine Veränderung zu 2001 zu spüren. Nicht nur weil ich bemerke, dass der FC Bayern der Neuzeit inzwischen ein Level erreicht hat, welches auch Europa dominieren könnte und ich kann nicht behaupten, dass mich das stört. Chelsea ist – und das war deutlich zu sehen – 2013 stärker als 2012. Gleichwohl haben wir sie kontrolliert, phasenweise (gegen ihren Willen) beherrscht. Schon jetzt, in unserem „unfertigen“ Zustand. Gut. Sehr gut.

Man mag einwenden, dass ich mich in Jubelarien versteige. Nun, ich gehe einfach nicht davon aus, dass der, offenbar weltweit erfolgreichste Trainer der letzten Jahre, ein Hochstapler ist. Ein FC Bayern muss die anstehenden Veränderungen aushalten können. Und wenn hier und da einmal Punktverluste drohen, dann kann ich damit gut leben. Für ein höheres Ziel. Auch wenn wir nicht jedes Mal wenige Tage später einen europäischen Pokal gewinnen werden.

Woher diese Gelassenheit kommt? Ich bin Triple-Sieger-Fan! Eeeuuurooopaaapoookaaal, Eeeuuurooopaaapoookaaal, Eeeuuurooopaaapoookaaal, EEEUUUROOOPAAAPOOOKAAAL!