Offener Brief an den Vorstand

Sehr geehrte Herren des Vorstandes der FC Bayern München AG,

ich bin heute auf den Tag genau seit 25 Jahren Mitglied des FC Bayern München e.V. und seit über 35 Jahren Fan unseres FC Bayern. Mein erstes Spiel sah ich 1989 im Münchner Olympiastadion und bin seit damals zu Dutzenden Spielen gereist, kaufte mir 1992 gar eine Dauerkarte für die Südkurve, obwohl ich 620 km vom Stadion entfernt wohnte. Über all diese Jahre konnten wir einige Titelgewinne feiern, erlebte ich aber auch schmerzliche Niederlagen wie „Barcelona“ oder „Wien“ oder „Rotterdam“. 1999 im Berliner Pokalfinale oder 2012 im „Finale Dahoam“ war ich gar live vor Ort.

Warum leite ich meinen Brief an Sie mit diesen Beschreibungen ein? Weil ich Ihnen verdeutlichen will, wie viel wir alle zusammen mit dem FC Bayern erlebt haben, wie sehr mir mein Verein ans Herz gewachsen ist, wie viel und wie lange er mir schon so viel bedeutet. Ich wähle meine Worte aus diesem Grunde nicht unüberlegt oder leichten Herzens.

Meine Liebe zum FC Bayern entdeckte ich, als Uli Hoeneß Manager unseres Vereins wurde und diesen „aus den Schulden“ geholt und zum modernen FC Bayern gemacht hat – einem der größten und erfolgreichsten Fußballvereine Europas, wenn nicht gar der Welt. Ein vorbildlicher Verein. Diese Entwicklung geschah nicht von heute auf morgen, sondern stetig und kontinuierlich – gesund würde man heutzutage wohl sagen. Für diese Art des Wachstums wird ein Uli Hoeneß immer einen besonderen Platz im Herzen eines jeden Bayernfan haben.

Zum Zeitpunkt meines Vereinseintritts – vor 25 Jahren – war der FC Bayern schon ein gestandener Club, in vielen Punkten aber trotzdem noch ein anderer Verein als er es heute ist. Veränderung ist zunächst einmal per se nichts Schlechtes, es stellt sich nur die Frage, welche Art von Veränderung man als Fan gerade so noch akzeptieren kann und wo es zu weit geht. Diese Grenze zieht jeder Fan für sich und seinen Verein sehr persönlich.

Für mich hat diese Grenze mit dem Thema Katar zu tun.

Ich verstehe, dass, insofern die FC Bayern München AG ihren Status quo bewahren oder gar ausbauen will, Wachstum oder die Generierung neuer Geldströme vonnöten sind – allein, weil es „die Anderen“ gleichermaßen tun, die mit uns international in Konkurrenz stehen. Eine Sichtweise, die diesen Zusammenhang ignoriert, wäre mehr als weltfremd. Mir ist ferner klar, dass ein Unternehmen wie die FC Bayern München AG – was seinen Anspruch an seine Sponsoren oder Geldgeber angeht – eher nicht agieren kann wie z.B. der FC St. Pauli – ich habe aber nun einmal – als Fan wie als Mensch – ein Problem damit, dass ausgerechnet der FC Bayern, als Verein mit einer großen jüdischen Tradition – zu der sich der Verein ja (inzwischen) bekennt und diese lebt („Kurt-Landauer-Platz“, Ausstellungen israelischer Künstler in der Allianz-Arena, etc.) – mit Ländern wie Katar geschäftliche Beziehungen unterhält. Einem Land, welches Israel – gelinde gesagt – ablehnt und u.a. israelischen Sportlern die Einreise verwehrt.

Für mich ist dies ein Widerspruch – wie stehen Sie dazu?

Des Weiteren stört es mich, wie Sie argumentativ mit diesem Problem umgehen bzw. umgegangen sind. Nach den – erstmaligen – größeren öffentlichen Protesten im Rahmen des Trainingslagers des FC Bayern in Katar im Jahr 2015 (sicherlich auch in Bezug auf das Freundschaftsspiel in Saudi-Arabien), entschieden Sie sich Ende 2015, erneut Teile der Winterpausen-Vorbereitung dort zu absolvieren. Einerseits gibt es Äußerungen, dass ein Trainingslager in Katar per se keine politische Äußerung sei (Frage: Akzeptiert oder zumindest toleriert man aber die Zustände in einem solchen Land nicht doch, insofern man sich als weltweit einflussreiche Marke „FC Bayern“ dort präsentiert?), andererseits erfahren wir vor dem Trainingslager, dass sich Spieler des FC Bayern laufend über die politische Lage in diesem Land informieren und entschieden hätten trotzdem dorthin zu reisen, man vor Ort „die Augen aufhalten“ und mit der Regierung sprechen wolle.

Ob all dies geschehen ist, erfuhren wir im Nachgang nicht. Was die Öffentlichkeit erfuhr, ist, dass die FC Bayern München AG nicht nur nicht nach alternativen Reisezielen für Trainingslager gesucht, sondern sich stattdessen – durch die Partnerschaft mit dem Flughafen von Doha – wirtschaftlich noch enger an Katar gebunden hat.

Diese Zeilen sollen Ihnen einen unmittelbaren Eindruck darüber vermitteln, wie sehr Fans wie ich darüber enttäuscht sind, dass der Verein es weder geschafft hat, die Bedenken der Fans über diese Vorgehensweise (und diese Probleme sind Ihnen bekannt, wie wir aus veröffentlichten, direkten Gesprächen mit einzelnen Fans wissen) in seine Handlungsweisen einfließen zu lassen, noch den Eindruck widerlegen konnte, dass die Krisenkommunikation wirklich nachhaltig war, will sagen, dass der FC Bayern hier tatsächlich meint oder tut, was er sagt.

Ich möchte als jahrzehntelanger Fan und Mitglied meines FC Bayern nicht die unausweichliche Entwicklung im modernen Fußball stoppen, ich will nur wieder den Eindruck gewinnen, dass mein Verein auch in der Gegenwart oder Zukunft noch ein Stück von dem Verein repräsentiert, dem ich 1991 beigetreten bin:

Nicht um jeden Preis den Erfolg zu suchen, sondern neben einem sozialen auch ein moralisches Gewissen zu haben – ist dies der Fall?

Mit rot-weißen Grüßen
Oliver Schmidt

Bayernfan (seit über 35 Jahren) und
Mitglied (seit 25 Jahren (Nr.: 8.813))

Unterstützer und Mitzeichner:

#1 Manfred Groitl (Mitglieds-Nr.: 5.505)
#2 Thomas Ohl (Mitglieds-Nr.: 2.420)
#3 Michael Kunert (Mitglieds-Nr.: 132.288)
#4 Sven Kühlthau
#5 Florian Weidle (Mitglieds-Nr: 54.110)
#6 Frederic Witt (Mitglieds-Nr.: 22.0442)
#7 Michael Hüsing (Mitglieds-Nr.: 18.656)
#8 Oliver Schröder (Mitglieds-Nr.: 36.629)
#9 Florian Puls (Bayern-Fan)
#10 Gerd Rehn (Mitglieds-Nr.: 121.780)
#11 Marco Werner (Mitglieds-Nr. 122.717)
#12 Andreas Wegerhoff (Mitglieds-Nr.: 259.350)
#13 Enrico Saft (Mitglieds-Nr.: 70.091)
#14 Marcel Faßbender (Mitglieds-Nr.: 175.275)
#15 Benedict Wischnewsky (Mitglieds-Nr.: 95.041)
#16 Achim Mack (Bayern-Fan)
#17 Justin Kraft (Bayern-Fan)
#18 Philipp Kaiser
#19 Gabriele Madl (Bayern-Fan)
#20 Björn Kecker
#21 Henning Hinkers (Mitglieds-Nr. 258.908)
#22 Manuel Scholz (Mitglieds-Nr.: 229.774)
#23 Michael Schulpin (Mitglieds-Nr.: 186.990)
#24 Florian Pütz (Mitglieds-Nr.: 102.800)
#25 Nelu Lenz
#26 Bastian Wittmann (Bayern-Fan)
#27 Gerhard Versteegen (Mitglieds-Nr.: 94.616)
#28 Alexander Fischer (Mitglieds-Nr.: 125.767)
#29 Patrick Haupt (Mitglieds-Nr.: 98.655)
#30 Christian Nandelstädt (Mitglieds-Nr.: 43.039)
#31 Robert Scheuermann (Mitglieds-Nr.: 52.785)
#32 Michael Brandhoff (Mitglieds-Nr.: 14.267)
#33 Marco Werner (Mitglieds-Nr.: 122.717)
#34 Thomas Kranzler (Mitglieds-Nr.: 15.355)
#35 Dennis Mebus
#36 Philipp Schenke
#37 Joël Guyot (Mitglieds-Nr.: 2.652)
#38 Dominik Werner (Mitglieds-Nr.: 230.462)
#39 Klaus Frank (Mitglieds-Nr. 6.698)
#40 Michael Pfeiffer (Mitglieds-Nr.: 5.597)
#41 André Maaß (Bayern-Fan & Mitglied)
#42 Bernhard Kammer (Bayern-Fan)
#43 Tanja Boller (Mitglieds-Nr.: 122.741)
#44 Christian Kessler (Mitglieds-Nr.: 118.936)
#45 Dennis Geleyn
#46 Dominic Wilhelm (Bayern-Fan)
#47 Ronny Bauer (Mitglieds-Nr.: 119.072)
#48 Lukas Diehlmann (Mitglieds-Nr.: 170.536)
#49 Alexander Brandt (Mitglieds-Nr.: 172.868)
#50 Rainer K. (Mitglieds-Nr.: 208.269)
#51 Marie-C. Thielitz (Mitglieds-Nr.: 164.146)
#52 Niklas Drews (Mitglieds-Nr.: 127.142)
#53 Marcel Mideck (Mitglieds-Nr.: 252.516)
#54 Oliver Schweizer (Mitglieds-Nr.: 60.753)
#55 Marcel Schlottbohm (Bayern-Fan)
#56 Lars Jäger
#57 Alexander Kaiser (Bayern-Fan)
#58 Gunnar Schmid (Mitglieds-Nr.: 17.535)
#59 Tobias Günther (Mitglieds-Nr.: 92.529)
#60 Stephan Tauchmann (Bayern-Fan)
#61 Jürgen Wolf (Mitglieds-Nr.: 143.805)
#62 Jochen Gottsmann (Bayern-Fan)
#63 Andreas Fischer (Mitglieds-Nr.: 162.277)
#64 Martin Weiß (Mitglieds-Nr.: 274.272)
#65 Hans-Jörg Lambrecht (Mitglieds-Nr.: 231.871)
#66 Nino Block (Mitglieds-Nr.: 144.137)
#67 Julian Renninger (Bayern-Fan)
#68 Mathias Roschinsky (Mitglieds-Nr.: 95.742)
#69 Haiko Luz (Mitglieds-Nr.: 166.859)
#70 Achim Stadtler (Bayern-Fan)
#71 Michael Wiemer (Bayern-Fan)
#72 Arnie (Mitglieds-Nr.: 101.810)

Von bayerischen Dominas, 1979 und jeder Menge Irritation

Dieser Tage geistert eine Dominanzdebatte durch die Medien. Den sozialen wie den „richtigen“ Medien. Bislang verfolgte ich diese Diskussionen kopfschüttelnd bis amüsiert. Zum Thema wurde es für mich erst, als ich irritierende Tweets las, die davon sprachen, dass „die Bundesliga tot sei“, „langeweilig sei“ und „Bayern die Liga kannibalisiert“. Nun, dieser Beitrag ist das Ergebnis einer Zusammenstellung und Filterung meiner multiplen Gedanken (aktuell und früher) zu diesem Thema.

Der FC Bayern ist Marktführer in der Bundesliga, Branchenprimus – aktuelle Wirtschaftsdaten (auch im Vergleich zu allen anderen Bundesligavereinen) belegen dies. Er ist dies ferner nicht erst seit gestern. Aber war er es immer? Nein. Zum einen, weil es derlei Definition aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Wertung des Fußballs erst seit dem „Boombeginn“ in den 90ern gibt (Steigerung rund um WM-Vergabe 2000) und zum anderen weil es z.B. in den 60ern in Deutschland einen 1.FC Köln unter Kremers, in München – rund um den BL-Aufstieg des FC Bayern – einen TSV 1860 und auch in den 70er und vielleicht noch 80er oder 90er – Jahren Konkurrenz auf (wirtschaftlicher) Augenhöhe gab.

Die Olympischen Spiele 1972 bescherten München und dem FC Bayern ein Olympiastadion (BTW übrigens auch 1860), welches unmittelbar die Grundvoraussetzungen für Volumen und Komfort in Sachen Zuschauereinnahmen verbesserte (unvergessen jenes ausverkaufte „Endspiel“ um die Deutsche Meisterschaft 1971/72 gegen den FC Schalke 04). Einerseits. Andererseits hatte der FC Bayern bis Anfang / Mitte der 90er einen Zuschauerschnitt von zumeist 30.000 bis 40.000. Erst danach kletterte die Auslastung langsam und stetig Richtung 100 Prozent. Bleiben also die „Millionen“-Einnahmen für einzelne Top-Spiele. Natürlich. Vor allem in Anbetracht der damaligen Abhängigkeit der Vereine von eben diesen Eintrittskarteneinnahmen (um die 80%?). Mein Lieblings-Gegen-Argument in diesem Zusammenhang? Die „Heimspiele“ der Gladbacher Borussen in Düsseldorfer Rheinstadion oder in Müngersdorf.

All dies beschreibt die Gesamtsituation der Bundesliga und des FC Bayern bis in die 90er-Jahre imho ganz gut. Für mich ist aber ein anderes Datum viel bedeutender: Der 01.05.1979. An diesem Tag wurde Uli Hoeneß zum Manager des FC Bayern München e.V. und übernahm den Verein mit 7 Mio. DM (3,5 Mio. Euro) Schulden und 12 Mio. (6 Mio. Euro) Umsatz (pro Jahr). Wer würde im Zusammenhang mit diesen Zahlen von einer Dominanz der Bayern sprechen? Ich spreche von der Stunde Null des heutigen FC Bayern. Warum ist mir das wichtig? Weil es mir um Arbeit geht. Und um Professionalität und Konstanz. Wie z.B. auch bei Borussia Dortmund seit 2005.

Uli Hoeneß fing an zu arbeiten. Schon ein Jahr zuvor fädelte er den Sponsorenvertrag mit dem Ulmer Unternehmen Magirus Deutz ein und ermöglichte so mittelbar die Rückkehr seines Freundes Paul Breitner zum FC Bayern. Ein entscheidender Meilenstein für die frühen Erfolgen seiner Amtszeit (Meister 1979/80, 1980/81, Pokalsieg 1982, Endspiel Europapokal der Landesmeister 1982).

Man mag es glückliche Fügung nennen, dass ausgerechnet ein Spieler, Mensch und Manager wie Hoeneß dem FC Bayern 1970 über den Weg lief, aber eben jener Hoeneß war und ist geschäftstüchtig. Als Spieler (kein Sponsorentermin war vor ihm sicher) und erst recht als Manager. Nicht umsonst wuchsen Umsatz und Gewinn unter Hoeneß beim FC Bayern in heutige Dimensionen.

Gerne kann man einwenden, dass die heutigen Dimensionen erst durch massive Unterstützung von Außen und den Einsatz von Großkonzernen zustande kam (dunkle Kapitel wie den Kirch-Skandal können wir gerne einmal getrennt diskutieren), aber Hoeneß schaffte die Rahmenbedingungen, die die Attraktivität für derlei Sponsoren ergab. Die Politik der „kleinen Schritte“, die aber stetig nur in eine Richtung gingen. Nach Magirus Deutz und Iveco Magirus kamen Commodore, Opel und später die Deutsche Telekom. Im Rahmen dieses Vertrages konnte sich der FC Bayern 2002 seinen Hauptsponsor aussuchen, man stand Schlange (obwohl der Vertrag mit Opel imho vorzeitig aufgelöst wurde).

Apropos Nachhaltigkeit. Beim FC Bayern wird langfristig gedacht. Langfristige Partner bleiben langfristig an den Verein gebunden. Warum entschied sich der FC Bayern damals für das schlechtere Ausrüster-Angebot und schlug Nike in den Wind? Weil man Adidas später dann gar Anteile an der AG verkaufte. Im beidseitigen Einvernehmen.

Warum erwähne ich all das, noch dazu in epischer Breite? Weil wirtschaftliche Stärke – von mir aus „Dominanz“ – nicht aus der Luft kommt. Insofern man nicht Paris St.Germain oder Manchester City & Co. heißt. Derlei muss wachsen, vor allem muss man als Verein einen Plan und eine gewisse Struktur und Kontinuität an den Tag legen und ja, heutzutage wird es evtl. kaum mehr möglich sein, ein zweites FC Bayern München zu werden, aber man wird es sicher nicht, wenn man so agiert wie z.B. BVB & S04 vor dem großen Kollaps.

Was spräche dagegen, dass Hertha BSC, Frankfurt, HSV, Stuttgart oder eben Dortmund und Schalke aufgrund ihrer Stärken, die entweder im Fan-Potential, der Infrastruktur, regionaler Wirtschaftskraft oder konkurrenzlosem Einzugsgebiet zu einer konstanten Stärke finden können, die die Bayern „auf Trap“ hält? Wenn man die oben beschriebenen Voraussetzungen erfüllt? Nicht viel, meiner Meinung nach (P.S. Wer von den Großkonzernen spricht, die hinter dem FC Bayern stehen, der sollte Vereine wie z.B. Leverkusen, Wolfsburg oder Hoffenheim nicht unerwähnt lassen – warum sind diese Teams aber nicht schon längst dauerhaft in der deutschen Spitze vertreten? Denkt man drüber nach).

Wäre es anders, wären die Bayern ja seit den 80ern Dauer-Meister, oder?

Ach, die aktuelle Dominanz gibt es ja erst seit dem Double des BVB 2012? Warum erst seit dieser Spielzeit (und nicht schon seit dem Einzug in die Allianz Arena 2005 mit all den Logen und Vermarktungsmöglichkeiten?)? Warum „dominieren“ die Bayern erst seit 1,5 Spielzeiten? Weil die Bayern auf einmal noch viel bessere Rahmenbedingungen vorfinden als bis 2012? Die Einnahmen explodiert sind, man sich alle Stars der Welt zusammen gekauft hat? Wohl kaum. Nein, all das blieb unverändert. Es war eine Veränderung im Konzept. Nämlich tatsächlich erst einmal ein Konzept zu haben. Seit 2009 also. Seit van Gaal. Wieso aber wurden wir dann nicht wenigstens seit 2009 zum Dauermeister? Weil so eine Entwicklung wachsen muss. Auch und gerade bei einem Verein wie dem FC Bayern. Grundlagen van Gaal, Optimierung Heynckes und dann so ein Vize-Jahr wie 2012. Es war eine besondere Situation, die das gesamte Team, den gesamten Verein antrieb, eine solch fabelhafte Saison 2012/13 zu spielen. Ähnlich der Motivation nach Barcelona 1999 bis Mailand 2001.

Kritik würdig, bzw. ernüchternd erscheint offenbar, dass es den Bayern nach diesem Triple gelungen zu sein scheint, noch einmal alles zu hinterfragen und auf ein neues Level zu heben. Eine Herausforderung, an der 2001 sowohl der Verein als auch seine Führung unter Hoeneß & Hitzfeld gescheitert ist. Die Kritiker mögen einwenden, dass das ja kein Kunststück sei, wenn man dem weltbesten Team den weltbesten Trainer zur Seite stellt. Und dann noch so viel Geld beim Gehalt investieren kann. Sicher, Geld spielt immer eine Rolle, aber gerade Guardiola konnte sich jeden Verein der Welt aussuchen und viele davon hätten ihm auch noch einmal wesentlich mehr Gehalt bezahlt, aber trotzdem hat sich Pep für München entschieden. Weil er vielleicht vom Konzept überzeugt war und ist? Auch so etwas muss man sich erarbeiten und kann es sich (auf diesem hohen Niveau) nicht erkaufen.

Oder man macht es wie Borussia Dortmund, die aus einer Not eine Tugend machten und – am Boden liegend – einem jungen Trainer wie Klopp alle Freiheiten und Zeit der Welt ließen. Ergebnis? Mit nachhaltigem Aufbau aus der Asche der Fastinsolvenz (weil man mit aller Macht Jahrzehnte an Rückstand aufholen wollte und eingeplante Einnahmen wegbrachen), kreierte Klopp eine Mannschaft, die die Bayern zwischen 2010 und 2012 – Entschuldigung – dominierte. Verrückt.

Kann man imho über das Thema Geld, Sponsoren und wirtschaftliche Dominanz noch ausgiebig diskutieren, wird es beim Thema „Kannibalisierung“ der Bundesliga schon enger. Fast alle Nicht-Bayern-Fans sind ja mit den gleichen Vorurteilen aufgewachsen. Vorurteile, die vieles einfacher machten und von Generation zu Generation vererbt wurden. Bitte. Danke. Ich konnte darüber immer schon nur schmunzeln. Bayern immer nur mit Glück? Über 40 Jahre Bundesliga? Vielleicht sollte man dann eher eine Lottobude an der Säbener Straße aufmachen – bräuchte man sich dann um Sponsoren doch nicht mehr so intensiv zu bemühen. Aber zurück zu „der FC Bayern kauft der Konkurrenz die besten Spieler weg, um sie zu schwächen“.

Ich kann mich nicht erinnern, wie oft ich dieses Thema schon diskutiert habe. Und es wird nicht sinnvoller. Betrachten wir es zunächst einmal von der finanziellen Seite. Wäre es nicht betriebswirtschaftlicher Wahnsinn, wenn ein Verein massiv Geld verbrennt, weil er in Spieler investiert, die er nicht braucht und sie „auf der Bank versauern lässt“, weil so der aktuelle Konkurrent entscheidend geschwächt wird? Nein? Man glaubt also ernsthaft, dass dies eine Strategie war, die hinter den Führungstüren an der Säbener Straße Sommer für Sommer neu entwickelt wurde, welchen Spieler man also als nächstes „für die Bank kauft“? Sicher.

Richtiger ist da schon eher, dass ein FC Bayern diesen Spieler immer haben wollte, weil er sich davon eine Verbesserung der eigenen Stärke versprach und im Rahmen des eigenen Scoutings traditionell immer weitaus weniger erfolgreich war, als z.B. Vereine wie Leverkusen oder Bremen. Wir legen hier besser den Mantel des Schweigens über die meisten Transfers aus Südamerika. Das Umfeld des FC Bayern ist nun einmal schwieriger als es in Leverkusen, Bremen oder sonst wo immer war, was unbekannte Rohdiamanten aus dem Ausland oder unteren Klassen betrifft. Was ist daran zu kritisieren, wenn man als Verein irgendwann diesen Umstand akzeptiert und nur noch auf „akklimatisierte“ Bundesligaspieler setzt, die sich über den „Umweg“ der BL-Konkurrenz etabliert und „sichere“ Transfers darstellen?

Tatsächlich ist dieses Thema ambivalent, denn ein FC Bayern war ja selbst viele Jahre das „Transfer-Opfer“ (ausländischer) Kannibalen-Konkurrenz. Man denke nur an die Transfers der Sportkameraden Rummenigge (1984, Inter), Brehme, Matthäus (1988, Inter), Kohler, Reuter (1991, Juve), Effenberg, Laudrup (1993, Florenz), Ziege (1997, Milan). Andere Zeiten, vor Bosman, aber der Verein war damals noch in einer völlig anderen Position als heute. Viele dieser Transfers waren Schlüsselspieler und auch ein FC Bayern brauchte im Nachgang Ersatz und suchte sich diesen in der Bundesliga, reinvestierte quasi die Transfereinnahmen und pumpte Geld in den Bundesligakreislauf. Noch ein Lieblingsbeispiel in diesem Zusammenhang: Der Karlsruher SC. Auch unter dem Aspekt, dass ein FC Bayern in der Bundesliga immer einen gewissen Zuschlag berappen musste, den andere Teams nicht hätten bezahlen müssen, vor allem, wenn man wusste, dass die Bayern mal wieder frisches Geld aus dem Ausland bekommen hatten. Kapitalismus eben, kein Ding. Sternkopf, Scholl, Tarnat, Fink und Kreuzer. Damals gab es den launigen Spruch, dass die Bayern dem KSC die neue Luxus-Tribüne finanziert haben. Mein Thema: Richtig Erfolg hatte der KSC erst nach all diesen Transfers („Euro-Eddy“ & Co.). Abwärts ging es dann im Rahmen von Konzepten a la „KSC 2000“. Wie auch immer. Ein Karl Del’Haye muss auch heute noch als Kronzeuge herhalten.

Nicht alles an diesen Transfers war schlecht für den FC Bayern. Mit dem Rummenigge-Transfer war der FC Bayern 1984 endgültig schuldenfrei, selten zuvor erzielte man einen größeren Transfer-Überschuss als beim Hargreaves-Wechsel nach Manchester. Irgendwann setzte aber auch in München ein Umdenken ein, dass man vielleicht das eigene Geld eher in den eigenen Verein investieren und nicht mehr nur an die Konkurrenz überweisen sollte. Die Geburtsstunde des heutigen Jugendkonzeptes. Die ersten Jahre brachten nicht die Erfolge wie bei der Konkurrenz in Stuttgart, Gladbach oder Leverkusen, aber gleichwohl erhöhte sich die Quote der Eigengewächse im Kader. Nachhaltigkeit führt zum Erfolg – auch hier. All die Lahms, Müllers, Schweinsteigers, Badstubers & Co. wachsen nicht auf den Bäumen und dafür braucht es vielleicht doch einige Generationen an Jugendjahrgängen, aber dort, in diesem Bereich investiertes Geld zahlt sich immer aus. Ein Vorwurf der „Kannibalisierung“ der Bundesligakonkurrenz ist imho abwegig. Aus Gründen. Zum Beispiel, weil es schon immer so war, das höherklassige Vereine das Ziel von Spielern aus niederklassigen Vereinen/Ligen war. Kein Argument? Ein Mario Götze per Ausstiegsklausel aus seinem Vertrag zu kaufen ist ein schlüssiges Argument für „Kannibalismus“? Viel schlüssiger als ein AK-Transfer von Marco Reus von Gladbach nach Dortmund? Und Götze zu Bayern ist „böse“, Sahin nach Madrid, Kagawa nach Manchester aber „gut“?

Ein BVB war bei Götze gezwungen, eine Ausstiegsklausel in den Vertrag zu schreiben. Vielleicht ändert sich dies einmal grundsätzlich in der Zukunft, wie es z.B. bei den Bayern schon länger üblich ist. War er deshalb aber per se Objekt der Begierde in München? Nein, man wollte ihn, weil er in unser Konzept passt, ein Spieler für die Zukunft ist, für eine Zukunft ohne Ribery & Robben. Robert Lewandowski hat keine AK in seinem Vertrag, er spielt weiterhin für Dortmund und hilft dort, die berauschende letzte Saison zu bestätigen. So läuft’s Business. Mit den Einnahmen der letzten Saison „kannibalisierte“ Borussia nun bei Shakhtar Donetsk (Mkhitaryan, 27,5 Mio. Euro), AS Saint-Étienne (Aubameyang, 13 Mio. Euro) und Werder Bremen (Sokratis, 9,5 Mio. Euro). Und jetzt? Nix.

Was ist aber jetzt mit all diesen Rekorden?

Die sind für mich ein Medienthema. Inzwischen. Anfangs war es mir vielleicht noch wichtig, zuvor aufgestellte BVB-Rekorde direkt wieder zu kassieren (man darf auch davon halten, was man will), aber diese Zählung und Erfassung überlasse ich anderen. Und ja, es mögen in diesen Zeiten sog. Uralt-Rekorde fallen, aber die Listen, die man dann so über den Zaun geworfen bekommt, sind imho noch „konstruierter“ als letzte Saison. Warum? Weil sich die Autoren Aufmerksamkeit, Clicks und Auflage erhoffen. Keine Frage, die Rekorde bleiben Fakt und ich will sie nicht klein reden, aber was werden diese Rekorde irgendwann für die Gegenwart aussagen, wenn die aktuellen Serien des FC Bayern enden? Wenig.

Und wer kann schon in die Zukunft schauen und garantieren, dass der Status quo auf Jahrzehnte hinaus bestehen bleibt? Wer weiß, was mit dem Verein FC Bayern nach einer Inhaftierung der Gallionsfigur Uli Hoeneß passiert? Werden wir auch in Zukunft die richtigen Entscheidungen treffen? Werden weiterhin so viele Topstars nach München wollen und wir parallel und weiterhin all die Müllers, Lahms und Schweinsteigers aus dem eigenen Nachwuchs zu diesen Weltklasse-Spielern ausbilden und formen können? Die Angst, die viele Kritiker der aktuellen bayerischen Dominanz umtreibt ist doch eher die Angst davor, dass es – zum ersten Mal in der Geschichte des Fußballs – eine Mannschaft schaffen könnte, „unschlagbar“ zu sein. Übertreibe ich an dieser Stelle? Ich glaube nicht, zumindest wenn ich diese Befürchtungen beschreibe. Persönlich kann ich diese Angst nicht teilen. Zeiten kommen, Zeiten gehen. Wahrscheinlich wird es so sein, dass wir uns – sollte sich nicht etwas Grundlegendes in der Statik des Welt- oder europäischen Fußballs verändern – wohl von romantischen Märchen verabschieden können, wie „in der Bundesliga kann jeder jeden schlagen“. Geschenkt. Aber will man ernsthaft abstreiten, dass es auch in Zukunft Mannschaften, Trainer, glückliche Fügungen (als Kombinationen aus Trainer und Mannschaften) geben wird, die die Dominanzen anderer Mannschaften beenden werden? Barca hat über einige Jahre Europa dominiert. Und wurden von uns in der letzten Saison auseinander genommen. Ob es erneut dazu kommen wird, wenn wir heuer auf sie treffen? Ich bin mir da noch nicht sicher.

Ich bin mir aber sicher, dass ich als Bayern-Fan zur Zeit dankbar eine Ära erlebe, von der ich schon als kleiner Junge immer geträumt habe – dass der eigene Verein Erfolge auch auf europäischer Ebene feiern kann, dass in meiner Mannschaft Automatismen existieren, die Siege wahrscheinlicher machen. Wer hier einen Widerspruch zu obigem Absatz sieht, dem sei gesagt, dass hier nur der emotionale Teil, der Fan-Teil spricht. Logisch, dass ich derlei gut finde. Der andere, menschlich-rationale Teil, ist sich durchaus bewusst, dass alles endlich ist.

Wir Bayern-Fans hoffen darauf, dass sich dieser Zeitpunkt noch ein wenig hinauszögert, aber er wird kommen – ganz sicher.