FC Hoeneß, Kovac oder Rückwärts in die Vergangenheit

Der FC Bayern hat offiziell einen neuen Trainer zur Saison 2018/19. Es wurde am Ende dann Niko Kovac.

Eins vorab: Ich glaube nicht, dass Niko Kovac ein schlechter Trainer ist, vielmehr bin ich davon überzeugt, dass der Kroate in Frankfurt gute Arbeit macht. Ich blende einfach mal seine früheren Zitate in der Endphase seiner Tätigkeit als kroatischer Nationaltrainer aus, nein, wenn er am 01.07.2018 Trainer unseres FC Bayern wird, dann ist er – natürlich – auch mein Trainer. Er sollte eine faire Chance bekommen, auch wenn er außer Frankfurt nur die kroatische Nationalmannschaft und Brauseteams in Salzburg trainiert hat.

Was mich viel mehr stört, ist etwas ganz anderes. Und so einiges. Aber der Reihe nach.

Mich stört dieses 80er/90er – Gehabe des FC Bayern, Dinge öffentlich auszutragen, bzw. Informationen über Haus- und Hofmedien zu streuen und so über eben jene Öffentlichkeit Druck in die gewünschte Richtung auszuüben. Mich stört es für die Fans unserer Gegner – in diesem Fall der Eintracht – die nun wirklich keine direkte Liga-Konkurrenz darstellen und somit noch nicht einmal ins – vermeintliche – Beuteschema passen, aber durch diese Nachricht und dieses Verhalten unseres Vereins, ggf. ihre aktuellen Ziele verfehlen. Und für einen Verein wie die Eintracht ist eine Europapokalteilnahme nun einmal bedeutsamer als die x-te Championsleague für uns Münchner Großkopferte.

Mich stört, wie die gesamte #Trainerfindungskommission abgelaufen ist. Und zwar grundsätzlich. Natürlich habe ich keine Insiderinformationen, weil ich weder dem Vorstand des FC Bayern angehöre, noch an der Säbener Straße bei entsprechenden Meetings Mäuschen spielen durfte, aber von medialen Quellen ist nun einmal recherchiert worden, wie diese Tragödie scheinbar abgelaufen ist und das Schlimmste an der Geschichte ist, dass man es sich im aktuellen FC Hoeneß ganz genauso vorstellen kann und es sofort für bare Münze nimmt.

Man überredet den – sich im wohlverdienten Ruhestand befindlichen – Trainer-Rentner Heynckes, Retter des, in offenbarer Schieflage befindlichen Tanker Bayern München zu werden. Heynckes, Gentleman der er ist, noch dazu Hoeneß-Freund, sagt zu und lässt sich auf das Abenteuer ein, um von Anfang anklar zu betonen, dass er zum Saisonende wieder in sein altes Leben zurückkehren wird. All dies, um nach dem Ancelotti-Missverständnis zumindest die Mindestziele einzufahren und dem Vorstand Zeit für die Suche nach einem ebenso qualifizierten wie renommierten Trainer zu geben.

Und was passiert? Nichts. Zumindest von Seiten des großen alten Mannes, dem Rückkehrer von der Pritsche auf den Königsstuhl, dem – offenbar personifizierten Mr. FC Bayern – Ulrich H.

Schon nach der Ancelotti-Entlassung gab es gerüchteweise erste Kontakte zu Thomas Tuchel, dem – gemäß allgemeinem Konsens – legitimen Nachfolger Guardiolas an der Säbener Straße. Tuchel soll sogar seinerseits großes Interesse bekundet und sich schon auf den Job in München vorbereitet haben. Es gab Einigkeit zwischen Rummenigge und Brazzo, einzig Hoeneß stand dieser Personalie ablehnend gegenüber. Kein Wunder, war er doch auch komplett damit ausgelastet, seinen „Freund“ Jupp Heynckes permanent und öffentlich zum Bleiben beim FC Bayern zu überreden. All dies, obwohl dieser im Dezember intern erneut unmissverständlich erklärt hatte, den Verein ganz wirklich zum Saisonende im Sommer 2018 erneut und endgültig zu verlassen. Hoeneß versuchte es unbeirrt weiter. Heynckes – zunehmend ungehaltener – bestätigte immer wieder mehr oder weniger seine ursprünglichen Aussagen.

Als sich Hoeneß – dieser Funktionär mit den unbestritten großen Verdiensten in der Vergangenheit des FC Bayern – im März 2018 endlich dazu bewegen ließ, der Personalie Tuchel vielleicht doch irgendwie zuzustimmen, hatte dieser international begehrte Übungsleiter – laut eigener Aussage – bei einem anderen europäischen Großclub zugesagt. So was nennt man ja mal Pech. Oder Unvermögen. Oder Absicht und somit Vereinsschädigend. Aber gut, der FC Bayern wurde nach Hoeneß‘ triumphaler Rückkehr in Amt und Würden, so als wäre nichts als ein „Versehen“ oder „Fehler“ passiert, ohnehin von ihm und seiner Familie zum FC Hoeneß umgebaut. All die Innovationen und viel der Moderne, die man in seiner Abwesenheit etablierte, verschwand und machte Platz für Bewährtes, Stallgeruch und Provinzialität. An dieser Argumentationslinie teilen sich die Massen der Anhänger des FC Bayern. Also wir Kritiker sind jetzt diese 1-5% und der Rest würde den Ulmer auch noch mit Jubel, Trubel, Heiterkeit auf der JHV wieder wählen, wenn der im Gefängnis gesessen hätte… oh, wait.

Mich stört aktuell so viel am FC Bayern und ich muss mir trotzdem immer wieder über die sozialen Medien aka Twitter, Vorwürfe von #Ulianern anhören, was mein Gemotze eigentlich soll und dass ich ja immer nur noch Negatives über den FC Bayern suchen würde und was der Uli doch alles für den FC Bayern getan hätte. Geschenkt.

Glaubt einer dieser Kritiker-Kritiker, dass mir das Spaß macht, meinem aktuellen FC Bayern – außerhalb des Platzes – zuzuschauen? Und damit meine ich noch nicht einmal diesen ganzen Mist rund um unsere, immer dichter werdende Verbindung nach Katar und Co. – einem Thema, bei dem ich zunehmend resigniere. Nein, ich sehe mit Schrecken, wie der FC Bayern sich immer weiter zurückentwickelt, zu einem bodenständigen Verein Hoeneß’scher Prägung. Und damit meine ich nicht den Verein, bei dem am Spieltag Fans noch ins Büro des Bayern-Managers kommen konnten, um ihr Leid zu klagen, oder den Opel-LKW, der auf Auswärtsspielen Fan-Utensilien verkaufte und unser Präsident die Ware selbst mit abverkaufte. Ich meine den Verein, der allein auf der Führungsebene und bei den Konzepten für die Zukunft auf Altbewährtes und längst überwunden geglaubtes setzt.

Der FC Bayern hat zuletzt einen tollen, neuen Jugendcampus eröffnet, auf den man zu Recht stolz war und ist. Dies ist prinzipiell die richtige Strategie, neben Investitionen in hochwertige Spieler, die uns im Kader und auf dem Platz direkt weiter helfen. Aber warum setzt man einen Hermann Gerland an die Spitze? Nichts gegen Gerland und seine Verdienste in der Vergangenheit, aber symbolisiert HG die Zukunft? Und als es einen Trainerwechsel hin zu Heynckes gibt und dieser nach Gerland als zweiten Co-Trainer ruft, da lässt man die Position des Leiters dort einfach unbesetzt? Deutlicher kann man den Stellenwert der Jugend-Abteilung eigentlich nicht illustrieren.

Mich stört dann dieser Artikel in der tz, der vermeldet, dass der U19-Coach Sebastian Hoeneß, offenbar gezielt vor allem Talente aufstellt, die von Dieter Hoeneß beraten werden. Andere hoffnungsvolle Talente verlassen daraufhin verständlicherweise mangels Perspektive den Verein. Sieht so Innovation, Vereinsphilosophie, Konzept oder Modernität aus?

Und nun also doch ein Cheftrainer Kovac. Sportdirektor Brazzo wird in der offiziellen Pressemitteilung des FC Bayern folgendermaßen zitiert:

Niko war Spieler bei Bayern, er kennt die handelnden Personen sowie die Strukturen und die DNA des Klubs sehr gut. Wir sind überzeugt, dass er der richtige Trainer für die Zukunft des FC Bayern ist.

Ach und das ist nun das entscheidende Kriterium für einen Trainerjob beim FC Bayern? Er hat noch vergessen zu erwähnen, dass Kovac ja deutschsprachig ist. Noch so ein modernes Konzept. Als ob Ancelotti daran gescheitert wäre. Oder Guardiola. Ein Jürgen Klinsmann sprach auch weitestgehend Deutsch. Nein, mit einem solchen Konzept wären weder Klopp in Liverpool, Guardiola in Manchester oder Zidane in Madrid Trainer geworden und – ganz ehrlich – es bestätigt auch nur erneut unsere eigene Provinzialität.

Am Ende des Tages ist die Entscheidung für Kovac natürlich nur konsequent. Für ihn ist der FC Bayern tatsächlich noch „die große Chance“, da „sagt man nicht nein“. Eine Antwort übrigens, die ein FC Bayern nicht gewohnt ist und war und rund um die Tuchel-Peinlichkeit neue Horizonte und ungeahnte Telefonkosten erzeugt hat. Kovac würde zusagen, dass war den Münchner Alphatieren klar und somit gingen sie aufs Ganze, überdeckend, was in diesem Frühjahr sonst noch alles in die falsche Richtung lief, sie brauchten nun mal langsam einen Erfolg und den hat ihnen der Kroate geliefert. Wie nachhaltig dieser Erfolg sein wird, steht in den Sternen. Ich persönlich würde Kovac nicht absprechen mit unserem Kader Erfolg zu haben (nationale Titel sind mit der aktuellen Qualität immer drin), aber in diesen Tagen, rechnet man beim FC Hoeneß ja mit allem und da sind Gedanken nicht so abwegig, dass Kovac zwar einen Dreijahres-Vertrag unterschrieben hat, er insgeheim aber nur der – unbelastete, unerfahrene (respektive, erfolgreichere) – Platzhalter (als Ancelotti) sein soll oder wird. Wie gruselig diese Vorstellung ist, vermag ich nicht in Worte zu kleiden, aber wir werden die mittlere Zukunft ja alle erleben. Ich wünsche Kovac nichts Schlechtes, das wäre unfair, aber nach all den Siegen, all den Erfolgen in den letzten Jahren, nach sechs Meisterschaften in Folge, ist mir Misserfolg nicht mehr so sehr ein Graus, als er es früher war. Vor 2013 oder der vierten Meisterschaft, der ich als Fan 35 Jahre hinterher lief (nein, ich will nicht über das Leben anderer Fans diskutieren). Von mir aus kann 2019 jede andere Mannschaft Meister werden (abgesehen von #Spielfrei, Hoffenheim oder den sonstigen Konzernteams), mir würde es nicht so viel ausmachen, ich bin schlicht darüber hinweg, davon mein persönliches Glück abhängig zu machen und vor allem wir hatten ja in den letzten Jahren so viel von diesem Glück zu spüren, zu empfinden. Ich weiß das schon ganz gut einzuordnen.

Mich stört, dass ich zuletzt Gerüchte vernahm, dass unsere Führung wohl doch noch weiter im Amt bleiben will, dabei hatte doch sogar Hoeneß bei seiner Comeback-Kampagne explizit darauf verwiesen, dass er zurückkomme, weil da etwas noch nicht vollendet ist und er vom ersten Tag an seinen oder seine Nachfolger aufbauen würde. Was genau hat Hoeneß dafür seit seiner Rückkehr getan? Die Wahrheit ist, dass es seine „Nachfolger“ längst gab. Der FC Bayern war mit Guardiola, Sammer und Reschke bereits exzellent für die Zukunft aufgestellt. Guardiola verlängerte seinen Vertrag nicht. Sammer schied „auf eigenen Wunsch“ aufgrund „gesundheitlicher“ Probleme aus. So zumindest die Sprachregelung, mit der alle Beteiligten ihr Gesicht wahren konnten. Und Reschke? Reschke wollte in den Vorstand, mehr mitentscheiden. Nun, er tut dies jetzt in Stuttgart. Ach und Sammer stellte seine Expertisen zunächst als TV-Experte zur Verfügung und unterstützt nun die Konkurrenz in Dortmund.

Well done, FC Bayern!

Wie all dies nun weiter- und ausgehen wird? Das weiß niemand. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass die aktuell in breiter Öffentlichkeit beklagte Langeweile in der Bundesliga mittelfristig enden wird. Warum? Weil die Münchner unter der aktuellen Führung und mit deren Entscheidungen, „Konzepten“ wohl kaum nachhaltig Talente, a la Schweinsteiger, Lahm oder Müller an der Säbener Straße ausbilden oder halten können. Sie werden, wie in den 90er- und 00er-Jahren, in die Schatulle greifen müssen und dank der überhitzten Märkte wird dies stark am berühmten Festgeldkonto kratzen. Es sei denn, man verabschiedet sich auch hier vom Anspruch in der Championsleague, wie wir ihn seit 2012 aufgebaut haben. Für die nationale Liga wird es – aufgrund des in Jahrzehnten aufgebauten Vorsprung (Milliardär-Spielzeuge wie in Leipzig, die Fußball wie Monopoly spielen können, mal außen vor) – immer reichen, aber die Dominanz wird auch hier – mittel- bis langfristig – zu Problemen in der Vermarktung und somit den Erlösen führen. Weniger Erlöse, weniger Budget für Transfers und Gehälter. Eben. Zurück in die 90er.

Was sind hier die Lösungen aus bayerischer Sicht?

Wer mich kennt und diesen Bericht aufmerksam gelesen hat, kennt die Antwort schon.

Mir bleibt nur die Gegenwart. In dieser wünsche ich mir ein fulminantes Halbfinale in der Championsleague gegen Real Madrid und im Anschluss ein weiteres Europapokal-Finale zum Abschluss der Karriere des großartigen Menschen und Trainer Heynckes. Von mir aus auch das nationale Double. Ferner wünsche ich Kovac bei seinem alten Verein nur das Beste, gerne soll und darf sich die Eintracht für den Europapokal qualifizieren, am liebsten für die Championsleague und/oder eine Platzierung vor dem Mateschitz-Spielzeug.

Für mich persönlich bedeutet dieser Tag nur einen weiteren Schritt des Abschiedes vom aktuellen Fußball oder FC Bayern. Am Ende der Saison endet – endgültig – mein letztes Sky-Abo und in der nächsten Saison stehe ich zum Zeitpunkt der Bundesliga ohnehin in der D-Jugend meines Großen als Trainer an der Außenlinie und arbeite im Ehrenamt an der Basis, die Begeisterung unserer Kinder für diesen im Prinzip wundervollen Sport zu behalten und auszubauen.

In diesem Sinne:

Auf geht’s, Ihr Roten! Forza FVP!

UPDATE: Nach der Publikation dieses Artikel schrieb die SZ, dass der FC Bayern schon vor einem Jahr an das Kovac-Umfeld deutliche Zeichen über eine mögliche Vakanz auf dem bayerischen Trainerjob übermittelt hat. Sauber. Sollte dies stimmen, kann man weder die gestrigen Aussagen von Kovac & Bobic noch das Balihoo der Bayernführung vollumfänglich ernst nehmen. Dann ist es eher ein weiterer Schritt zum Abschied vom Fußballgeschäft im Allgemeinen.

Neckarelz? Kenn' ich nicht!

Das große Los. Der Wunsch aller Teilnehmer im DFB-Pokal. Ein Traum wird wahr. Für das unterste Team im Topf. Jetzt von der Liga her.

Die SpVgg Neckarelz empfängt in der diesjährigen ersten Pokalrunde den FC Bayern München.

Ich geb’s zu: diesen Namen habe ich noch nie gehört.

Dann mal schnell was recherchiert.

Neckarelz spielt in der Verbandsliga. In Baden. Über die Home(e)page decken wir mal den Mantel des Schweigens. Auf jeden Fall spielt die SpVgg in Rot, d.h. die Bayern treten wohl im Auswärtstrikot an.

Der Verein soll seit 1927 existieren, sein „Elz-Stadion“ seit 1963, Erweiterung in den 80er-Jahren. Kapazität war nicht in Erfahrung zu bringen.

Natürlich könnte man einen Umzug in Erwägung ziehen. Es böten sich da (in der Reihenfolge der Entfernung) Mannheim, Hoffenheim, Stuttgart oder gar Frankfurt an. Aber die spielen ja selber alle.

Mhm.

Auf jeden Fall kann man vor oder nach dem Spiel in der Sportgaststätte „Zur Arena“ einkehren.

Na dann: Prost.

Der 7. April 2008 – ein schwarzer Tag für den deutschen Fußball!

Alles war angerichtet, es lief nach Plan. Acht Punkte Rückstand auf das rettende Ufer. Der endgültige Abschied eines Vereins, den keiner braucht, den dieRegion, in einer, in der Geschichte des deutschen Fußballs, zuvor nie dagewesenen Art und Weise künstlich am Leben gehalten hatte – mit verschleuderten Steuergeldern ehrlich arbeitender Bürger.

Der Absturz der ehemaligen roten Teufel in die Bedeutungslosigkeit der dritten Liga – eine ganz besondere Perspektive für uns Fußball-Fans. Also alle ausserhalb derRegion.

Dann aber kam der 7.April 2008. Die Rückkehr eines Provinzhelden: Stefan Kuntz.

Und was passierte? Plötzlich begann die eigentlich tote Mannschaft doch noch damit Punkte zu sammeln. Einen Spieltag später waren es nur noch 5 Punkte Rückstand, danach nur noch 2.

Parallel lief eine Geschichte ab, die bis heute mehr als im Dunklen liegt. Ich will mich mal vorsichtig ausdrücken.

Der TuS Koblenz wurde aufgrund von Lizenzverstößen bestraft. Überraschenderweise mit einer Anzahl von Punkten, die die Pfälzer hätte retten können. Und wer war zuvor als Funktionär bei den Koblenzern tätig?

Richtig. Stefan Kuntz.

Ich war damals schon sprachlos.

Es kam übrigens, wie es kommen musste:

Am allerletzten Spieltag retteten sich die Pfälzer durch einen 3:0-Heimsieg auf die Nichtabstiegsränge. Mit einem Punkt Vorsprung. Einem Punkt! Und wer war der Gegner? Der FC Daum aus Köln. Na klar. Was ich denen übrigens heute noch übel nehme. So ein Spiel darf man einfach nicht herschenken!

Und der TuS Koblenz?

Der hatte in zweiter Instanz die Strafe auf 6 Punkte Abzug reduziert. Hätte er dies nicht getan, wäre er tatsächlich hinter die Lauterer zurückgefallen. Fall-back-Strategie nennt man das…

So.

Und was passiert nun in der neuen, der aktuellen Saison?

Der Super-GAU.

Plötzlich gewinnen die Provinzler einfach weiter – stürmen an die Tabellenspitze der zweiten Liga.

Bis, ja bis gestern nachmittag.

Denn da wurd’s Zeit für ’ne kleine Revanche.

Die Kuntz-Kicker waren zu Gast bei? Richtig. Der TuS Koblenz.

Und was geschah?

Die TuS schoss die Betze-Bübchen aus dem Stadion. 5:0!

Es gibt also doch noch Hoffnung. Und einen Fußball-Gott gibt’s auch.

Provinz at its best

Was habe ich unter dem Tisch gelegen. Kurz vor Weihnachten.

Erst verkündet das „ehrenamtliche Mitglied des Aufsichtsrates und sportliche Berater“ Klaus Pudel Toppmöller nach der Niederlage der roten Teufel in Köln, dass „er jetzt nach neuen Trainern suchen würde“, selbst aber nicht zur Verfügung stehe und alle Welt hält ihn für den starken Mann rund um den Betzenberg.

Was passiert aber zwei Tage später?

Toppmöller selbst wird rausgeworfen!

Zwar wird genau dieser Umstand vehement abgestritten, würde man vielmehr „freundschaftlich auseinander gehen“ und gab Toppi – wie jeder Entlassene in dieser Situation – „persönliche Gründe“ für seinen „Rücktritt“ an. Aber wer glaubt sowas ernsthaft?

Fans kann man imho sowas nicht erzählen. Obwohl – in der Pfalz vielleicht. Kann auch sein, dass die Gerüchte rund um Matthäus als Rekdal-Nachfolger ihm das Genick gebrochen haben…

Weshalb erwähne ich diese Geschichte überhaupt? Und weshalb diese Häme?

Dafür muss ich ein wenig weiter ausholen.

Kaiserslautern und ich, das ist eine lange Geschichte. Voller Emotion. Und nicht gerade nur positiv.

Wie und wo das anfing?

1973.

Nein. Das habe ich natürlich nicht bewusst erlebt. Aber die Älteren unter euch werden sich eventuell an ein 4:1 der Bayern in Kaiserslautern erinnern. Also zumindestens bis zur 57. Minute. Danach schossen die Pfälzer noch das eine oder andere Tor. Am Ende stand es 4:7. Sowas brennt sich ins Gedächtnis. Auch wenn man es erst Jahre später zum ersten Mal sieht.

Die folgenden Auftritte der Bayern dort, die im berühmten Breitner-Zitat mit den Punkten und der Post gipfelten, verstärkten meine Abneigung.

Bis hierhin alles ganz normal und nichts, was ich nicht auch über Dortmund, Schalke oder Gladbach denken könnte.

Schlimm wurde es ab 1991.

Lautern überraschend Meister (so überraschend nun auch wieder nicht, denn schließlich waren sie amtierender Pokalsieger). Bayern Vize. Die übliche Häme fiel ein wenig heftiger aus, als man es als Bayern-Fan in solchen „Krisen“-Jahren gewohnt ist. Kein Wunder. Galten die Pfälzer doch als Underdog. Die Feldkamp-Kicker rund um Stefan Kuntz hatten zuvor die Bayern-Sprüche betont provinziell gekontert („Bayern ist laut, wir sind Lautern“) und fühlten sich nach dem Finale bestärkt. Im selbigen manifestierte sich übrigens auch meine Meinung über den FC aus Köln, ließ der sich doch tatsächlich zuhause gegen die Pfälzer ein 2:6 einschenken und erweckten die meisten Spieler nicht wirklich Traurigkeit ob der Tatsache, dass dies eine bayerische Meisterschaft verhinderte…

Anderes Thema.

Auch damit hätte ich noch lebend können. Nicht allerdings mit den Jahren danach.

Was den Bayern da bei den Gastspielen im Fritz-Walter-Stadion an Hass entgegenschlug, hatte mit Fußball in meinen Augen zumeist nix mehr zu tun. Gibt es im Leben der „Teufel“-Fans tatsächlich so wenig, dass alles in diesen alljährlichen 90 Minuten ausgelebt werden musste? So dachte ich jedenfalls. Jedes Jahr aufs Neue. Die Abneigung wurde zunehmend pathologisch.

Wer erinnert sich nicht an den Stinkefinger von Carsten Jancker. Ganz persönlich für die Betze-Fans…

Sich am Unglück der anderen zu erfreuen ist ein schlechter Charakterzug. Ich gestehe. Ich bin schlecht. Aber hey. Ich bin Fußball-Fan! Und der Abstieg der Lauterer hat mich keine Tränen gekostet. Ganz im Gegenteil. Ich persönlich war von diesem „wichtig-für-die-Region“-Gefasel schon seit Jahren mehr als genervt und da fand ich es an der Zeit, dass derlei in der Region geschah.

Und es geschah. Dann übernahm ein Ex-Bayern-Trainer das Zepter. Otto Rehhagel. Doppeltes Feindbild? Nun. Am Anfang lief es erhofft holprig. Aber irgendwann fing man sich und spielte dem Kader entsprechend. Der direkte Wiederaufstieg war die Folge. Pech.

Auftakt zur Bundesliga-Saison 1997/98. Ausgerechnet als Meister gegen die Lauterer. Ausgerechnet gegen Rehhagel. In München. Normalerweise kein Problem. Normalerweise. Aber Geschichte entwickelt sich weiter und die Pfälzer und ihr Trainer brannten förmlich. Im Gegensatz zu den Münchnern. Die Folge: Heimniederlage! Gegen einen Aufsteiger. Gegen Kaiserslautern.

Mein Gott. Ausgerechnet.

Rückblickend war dieses Spiel der Anfang vom Ende. Oder besser der Anfang einer über 34 Spieltage laufenden Demütigung. Und zwar der Bayern.

Schlimm. Vor allem wenn man an die beteiligten Personen denkt. Rehhagel. Sforza. Genannt Stinkstiefel. Und dann auch ein gewisser Michael B. aus C. – Meister als Ergänzungsspieler. Auch das eine andere Geschichte.

Noch schlimmer für mich: Die Pfälzer lösten nach 32 Jahren den FC Bayern als erfolgreichsten Aufsteiger der Bundesliga-Geschichte ab.

Dem Hoch der Pfälzer folgte zunächst ein Jahr in der Belle-Etage des europäischen Fußballs. Gleichzeitig aber der erneute, schleichende und viel nachhaltigere Abstieg. Rehhagel war bald selbst Geschichte auf dem Platz Fritz Walters und der zweite Abstieg aus der Bundesliga perfekt.

Nach der Fast-Pleite, die nur mit massiven Geldspritzen der öffentlichen, örtlichen Hand verhindert werde konnte (störte das in der Region eigentlich niemanden?) und diversen Prozessen der ehemalig Verantwortlichen, kam man bis heute nicht mehr auf die Beine, spielt der Verein vor teilweise halbvollen Tribünen gegen den Abstieg in die dritte Liga.

So kommt es über die Jahre eben zu Feindschaften für’s Leben.

Fans sind so. Ich auch. Deshalb die leichte Freude ob obiger Posse.

Aber ihr habt doch bestimmt auch solche Geschichten auf Lager, oder?