Immer noch ein tieferer Tiefpunkt

Doch. Spontan musste ich an Rudi Völler und seine berühmte Wutrede in Island denken. Rund um die beiden Bochumer Gegentore kurz vor Schluss, die die Arena und uns alle irgendwie und erneut ins Tal der Tränen beförderte.

Ehrlich gesagt war ich auch kurz davor so etwas selbst zu bringen. Hier. Zumindestens während der verzögerten, späteren Klinsmann-Reaktion/-Rede vor laufenden Kameras – dann lauschte ich aber den ersten den Worten von UH.

Ich muss sagen, dass mich dessen Interviews immer wieder begeistern. Seit fast 30 Jahren. Fast mein ganzes Leben als Bayern-Fan. Herrlich.

Meiner Meinung nach kann man nur so und nicht anders auf solche sog. Sport-Journalisten reagieren. Kurz und knapp. Dumme Fragen, dumme Antworten. Nie war es deutlicher als in diesem Interview, welches „Ziel“ einige Vertreter dieser Zunft verfolgen:

Die Ablösung Klinsmanns.

Und jeder will es exklusiv erreichen. Oder zumindestens als erster vermelden. Widerlich.

Klar – und somit kommen wir zum eigentlichen Spiel – man kann an den gestrigen 90 Minuten jede Menge kritisieren. Und ja, mich brachte danach das ewige Sing-Sang des Ex-Grinsi-Klinsi auch wieder auf die Palme.

Aaber…

Was kann ein Klinsmann dafür, dass die Bochumer ausgerechnet gegen uns ihr bestes Saisonspiel machen (wie zuvor schon Bremen, Hannover, etc.)?

Was kann ein Klinsmann dafür, dass ein Demichelis vor dem 1:1 lieber gefühlte Stunden den Arm aufgrund eines eingebildeten Abseits hebt und somit sein Gegenspieler völlig unbehelligt einschieben kann?

Was kann ein Klinsmann dafür, dass ein Rensing vor dem 3:3 in völligen Tiefschlaf fällt und die Orientierung verliert, obwohl doch überhaupt keine Torgefahr in der Luft liegt?

Was kann ein Klinsmann dafür, dass Weltmeister Toni aktuell vor lauter Pech (und Unvermögen) das berühmte Scheunentor nicht trifft?

Was kann ein Klinsmann dafür, dass all die sog. unzufriedenen Bankdrücker, es nach einer Einwechslung gegen einen Gegner, der eher gegen den Abstieg spielen wird und gegen den man das Spiel sowas von im Griff hat und 3:1 führt, nicht im Ansatz dabei helfen können, ein 4:1 zu erzielen?

Antwort: Wenig, eigentlich nix, oder?

Sicherlich.

Klinsmann kann trainieren lassen. Standards zum Beispiel. Diese als grottig zu bezeichnen wäre noch untertrieben.

Klinsmann könnte mal wieder einen wie Kroos spielen lassen, der auch mal was Überraschendes raushaut. Ganz im Gegensatz zu einem Herrn Podolski, der nicht schwieriger zu verteidigen ist, als ein Oberliga-Spieler, da er z.B. jeden Ball zunächst auf den linken Fuß legen muss.

Wie kann man bei all diesen Fakten Hoeneß‘ Interview kritisieren?

Wenn man das aus Prinzip tut. Klar. Mit klaren Sinnen kann man über eine Ablösung Klinsmann doch zum jetzigen Zeitpunkt nicht seriös und ernsthaft nachdenken, oder?

Und das Lambert Dinzinger (der führte nämlich dieses sog. Interview), seines Zeichens C-Moderator und Urlaubsvertretung bei Blickpunkt Sport, da unüberhörbare „Klinsmann-raus“-Sprechchöre gehört haben wollte, mag seinem sehr guten Gehör geschuldet sein, die Bilder, die ich zu diesen „Sprechchören“ sah, ließen in mir eine Vermutung von so um die 100 Fans keimen (Ohrenzeugen, dürfen mich gerne korrigieren, während der Live-Übertragung habe da rein gar nix gehört). Und was Fans nicht alles tun, wenn eine Kamera auf sie gerichtet und die Stimmung mies ist, wissen wir ja alle ganz genau.

Ein Aufsatteln des Boulevard ist da nun wirklich nix verwunderliches, schließlich ist hier die Klinsmann-Kampagne schon seit Januar am Laufen (wer erinnert sich nicht an die Berichte, über einen Klinsmann-Besuch im Stadion kurz nach der Bekanntgabe seiner Hitzfeld-Nachfolge?!)…

Nein.

Ich bin vielmehr davon überzeugt, dass dieser Druck, der auf den FC Bayern wirkt, die Wagenburgmentalität verstärkt. Womit all die, die glauben, etwas über den Verein, die Mannschaft sagen haben zu wollen, das Gegenteil erreichen könnten.

Auf der anderen Seite:

Wenn man wirklich den Umbruch beim FC Bayern will, ergibt sich Frage, ob man dann die aktuellen Saisonziele nicht eher korrigieren sollte.

Es ist imho nämlich fraglich, ob’s zum Championsleague-Sieg reicht, wenn wir z.B. Herrn Rensing wirklich die Ruhe geben wollen, sich in diesem Top-Umfeld (vom Anspruch her) auf seine Rolle als Kahn-Nachfolger vorzubereiten, oder direkt schon reinzuwachsen.

Oder ob wir es uns leisten können, beleidigte Bankdrücker im Kader zu haben, die mehr Zeit damit verbringen, dem Boulevard die schlimme, schlimme Situation in München zu schildern, anstatt mal anzufangen an den eigenen Schwächen zu arbeiten, um direkt nach einer Einwechslung bei 100% zu sein, um mit Leistung, bzw. Toren den verbalen Forderungen Nachdruck zu verleihen?!

Jetzt mag die aktuelle Saison zwar ähnliche Züge haben wie 2000/01, als auch kaum ein Team wirklich Meister werden wollte, aber da nahm sich der FC Bayern seine Auszeiten erst in der Rückrunde.

Persönlich bin ich auch mehr als ratlos, wie es weitergehen soll. Draufhauen alleine bringt niemanden weiter. Es hilft wohl nur Geduld.

Geduld, dass Ribéry irgendwann seine Form wiederfindet. Ebenso wie Toni.

Geduld, dass die Mannschaft Klinsmanns Prinzipien irgendwann versteht und praktiziert.

Geduld, dass unsere Führung nicht die Nerven verliert.

Was vergessen?

Ach ja. Die Leistung eines Zé Roberto!

Seit Saisonbeginn für mich einer der Besten. Und ohne ihn hätten wir uns in den letzten Spielen wohl schon von dem einen oder anderen Saisonziel verabschieden können.

Sehr gut, dass unsere Führung in diesem Zusammenhang wohl klare Gedanken hat und mit ihm über ein weiteres Jahr beim FC Bayern verhandeln will.

Bitte mehr solcher klaren Gedanken!