Zurück in die Zukunft oder Übervater Uli

Am morgigen Montag wird Uli Hoeneß aus seiner Haft entlassen und verlässt das Gefängnis als freier Mann – seine Reststrafe wird zur Bewährung ausgesetzt. Die Personalie Uli Hoeneß wäre nicht vollständig, wenn nicht auch jetzt, wie zu seiner Freigänger-Zeit und seiner Haftstrafe insgesamt, immer wieder und intensiv darüber berichtet werden würde. Wieso auch nicht, hat doch ein Uli Hoeneß zeitlebens als medialer Mensch gelebt und dies für seine Zwecke und die des FC Bayern genutzt.

Ich für meinen Teil habe mich in der jüngeren Vergangenheit häufiger zu Hoeneß geäußert (Links am Ende des Beitrages) und so auch dokumentiert, dass sich Meinungen ändern und einer Entwicklung unterziehen können. Aktuell habe ich ebenfalls eine Meinung zu Themen, die viele Fans, Journalisten, etc. im Zusammenhang mit unserem Ex-Präsidenten beschäftigen. Ich gehöre weder der Fraktion an, die erstens nicht geglaubt hat, dass Hoeneß überhaupt angeklagt wird, die zweitens nicht für möglich hielt, Hoeneß werde tatsächlich verurteilt, die drittens dachte, Hoeneß käme – wie so viele Promis – mit einer Bewährungsstrafe davon und viertens sowieso davon ausging, dass all die „Vergünstigungen“, die Hoeneß genießen sollte (frühes Freigängertum, Hafturlaub, vorzeitige Entlassung auf Bewährung), ja nur auf einer ebenso einmaligen wie skandalösen Bevorzugung der Justiz basieren könne (ich vertraue und vertraute schlicht unserem Rechtsstaat und der bayerischen Justiz), noch der Fraktion, die Hoeneß offenbar alles unreflektiert verzeiht und den alten Status quo seiner Ämter und seines Einfluss beim FC Bayern lieber heute als morgen wieder herstellen würde.

Ich gehöre der Fraktion an, die Hoeneß eine – ihm zustehende – zweite Chance geben will. Die ihm eine Rückkehr zum FC Bayern nicht verwehrt. „Ob Hoeneß nach seiner Entlassung als freier Mann wieder zum FC Bayern zurückkehren soll / muss / darf, vermag ich jetzt noch nicht zu bewerten.“ schrieb ich im Juni 2014, als er seine Haft antrat. Die Zeit für Bewertungen ist gekommen.

Man kann sich dem Thema „Hoeneß Rückkehr zum FC Bayern“ nicht entziehen. Dabei ist er ja längst wieder da. Spätestens seit seiner Tätigkeit im Jugendbereich des FC Bayern, die er für seine Freigänger-Zeit ausüben musste (nicht zwingend beim FC Bayern, aber was lag näher?), ist er wieder präsent. Nicht so wie früher, aber es gibt eben aktuelle Bilder von ihm – in der Öffentlichkeit. Von einem Mann, der sich äußerlich spürbar verändert hat. Ob dies auch innerlich so ist, wird die Zukunft zeigen. In diesem Zusammenhang einige weitere Zitate von mir aus besagtem Beitrag:

Ein ganz anderes Thema ist das Weltbild eines Uli Hoeneß. Seine Worte auf der aoMV („Hass“) haben mir einen Menschen gezeigt, der mir – im Laufe dieses Verfahrens – zunehmend fremder geworden ist. Nichts vom „alten“ Ex-Bayern-Manager ist vergessen, seine Leistungen rund um unseren Verein bleiben unvergessen. Aber ihm, der ja dieses Argument explizit im Prozess angeführt hat, hätte das Leben des Wortes „Demut“ gut zu Gesicht gestanden. Auch für seine Zeit im und vor allem nach der Haftstrafe.

Wie gesagt, niemand weiß wirklich, ob Hoeneß hier eine Veränderung durchgemacht hat. Die zurzeit sehr intensiven Gerüchte, dass Hoeneß sich im November wieder zum Präsidenten des FC Bayern München e.V. wählen lassen wollen wird, reißen nicht ab – ich hätte damit so einige Probleme. Warum? Weil dieser Schritt eine Außenwirkung hätte, die mir ganz und gar missfallen würde. Sie würde Hoeneß Stimmung, seine Worte, seine Bitterkeit und Wut, die er auf dieser außerordentlichen Mitgliederversammlung in den Saal und die überwiegend tobende Menge rief, bestätigen. Eine schlimme Vorstellung, würde sie doch alles andere als Demut, Reue oder vergleichbare Gefühle symbolisieren und zusätzlich noch alles an Handlungsweisen eines Uli Hoeneß in den letzten Wochen und Monaten ad absurdum führen. Stößt dieser Zusammenhang ansonsten niemandem auf, wenn Hoeneß auf der aoMV „und dann, wenn ich zurück bin, werd‘ ich mich nicht zur Ruhe setzen. Das war’s noch nicht!“ ruft und dann tatsächlich nach seiner Haftstrafe zurück kommt und wieder das seinerzeit abgegebene Amt anstrebt? Suggeriert diese Vorgehensweise nicht recht unverhohlen, dass man die Haftstrafe nur als „Unterbrechung“ betrachtet hat und jetzt diese „Episode“ so schnell wie möglich ungeschehen machen will? Für mich ist dies ein merkwürdiges Rechtsverständnis. Aber vielleicht bin ich auch selbst nur ein wenig… weltfremd.

Ohnehin ist ja immer noch unklar, was Uli Hoeneß selbst von all dem hält. Gerüchteweise will er sich am 01.07.2016 dazu äußern, ob er wieder das Amt des Präsidenten oder eine vergleichbare Tätigkeit beim FC Bayern anstrebt – ich bin mehr als gespannt. Eine entsprechende Jahreshauptversammlung im Herbst diesen Jahren werde ich mir auf jeden Fall nicht entgehen lassen, auch wenn ich natürlich eine erneute Wahl Hoeneß‘ durch die überwiegende Mehrheit der anwesenden Mitglieder nie und nimmer verhindern könnte, ich werde anwesend sein.

Am Ende des Tages könnte aber auch eine ganz andere Utopie Realität werden.

Vielleicht hat Hoeneß ja wirklich seinen Frieden gefunden. Mit sich und all den anderen. Vielleicht gefällt ihm seine Rolle in der zweiten Reihe des FC Bayern – Familie (medial, intern wird er immer noch eine gewichtige Stimme haben)? Ich würde mir wünschen, dass Hoeneß die letzten 5, 10, 15 oder wie viele auch immer Jahre im Schoß seiner „Familie“ genießen kann, er ein für die Zukunft unseres Vereins sehr wichtiges Standbein komplett (neu) aufbauen kann – die Jugendarbeit und somit nicht nur – wie schon vor der Steueraffäre geschehen – seine Ämter für die Zeit nach dem Funktionär Hoeneß auf die Gleise stellt, sondern auch dem Verein eine Perspektive bietet, die wieder mehr „Verwurzelung“ in die Region München und Bayern mit sich führen könnte und als Gegenpol zur Internationalisierung der Bayern-AG agiert. Ferner kann und sollte Hoeneß als Elder Statesman des FC Bayern tätig sein, denn seine Erfahrungen und seine Verdienste rund um den heutigen FC Bayern sind und werden unvergessen bleiben – warum nicht diese positiven Aspekte in den Vordergrund stellen? Warum muss es jetzt ein „Reinwaschen“ der Verurteilung oder gar ein „Rachefeldzug“ werden? Eben.

Zu all diesen Punkten treibt mich noch eine weitere Frage um: Wäre der FC Bayern aktuell ein anderer Verein, wenn Hoeneß nicht verurteilt und inhaftiert gewesen wäre?

Wer will und könnte diese Frage seriös beantworten? Denn auch unter Hoeneß nahm die „Internationalisierung“ und Umstrukturierung des Vereins ihren Lauf. Noch unter Hoeneß wurden die ersten Trainingslager in Katar organisiert. Noch unter Hoeneß wurde seine Nachfolge mit neuen Vorständen der Bayern-AG geregelt. Nein, auch unter einem Präsidenten und Aufsichtsrat-Vorsitzenden Hoeneß hätte der FC Bayern sicher eine ähnliche Entwicklung genommen – die Zeiten als Fanclubs und Fanvertreter einfach so zur „Säbener“ fahren und mit Uli im persönlichen Gespräch in seinem Büro Fan-Probleme diskutieren konnten und er auf dem kurzen Dienstweg diese zu lösen vermochte, sind endgültig vorbei – machen wir uns da nichts vor.

Eine Sache allerdings – bilde ich mir ein – wäre unter einem aktiven Hoeneß anders verlaufen:

Nach den umfänglichen Protesten gegen ein Trainingslager in Katar und ein Freundschaftsspiel in Saudi-Arabien Anfang 2015, hätte er – natürlich abgesehen von Verträgen oder Verpflichtungen im Hintergrund, von denen wir alle nichts wissen – Ende 2015 und Anfang 2016 mindestens eine glaubwürdigere Kommunikationsstrategie an den Tag gelegt und – da bin ich mir relativ sicher – den Deal mit dem Flughafen von Doha in dieser Gemengelage und Stimmung versucht, zu verhindern.

Unter einem Präsidenten Uli Hoeneß hätte der FC Bayern keinen „Leiter Public Affairs“ einstellen müssen, der den Vorstand – wie man damals gerüchteweise hörte – in ethischen Fragen berät…

In diesem Sinne: Mach‘ es* nicht noch einmal, Uli!

*Präsidentschaft

Weitere Links zum Thema:

Ach, Uli #1 (20.04.2013)

Von Wagenburgen, Medien, Tränen, dem Mob. Und Uli. (15.11.2013)

Ach, Uli #2 oder Stunde Null (14.03.2014)

Ach, Uli #3 (14.06.2014)

Weisheiten #209

„Wir haben ja keine Katastrophensaison gespielt. Wir müssen nur aufpassen, dass wir „Mia san mia“ nicht nur überall hinschreiben, sondern es auch auf dem Spielfeld zeigen. Wenn es nach mir geht, halten wir uns mit „Mia san mia“ etwas zurück, bis wir es wieder demonstrieren. „Mia san mia“ heißt nämlich auch, erfolgreich zu sein.“

Uli Hoeneß, demütig.