„Das ist natürlich keine Urlaubsreise. Da müssen wir einen Spagat hinlegen zwischen den wirtschaftlichen Marketing-Interessen des FC Bayern und der sportlichen Vorbereitung. Von Antritt der Reise bis zur Rückkehr ist alles so durchgetaktet, dass ich den Stress für im Rahmen des Normalen empfinden würde. Wir waren vor drei Jahren das letzte Mal in China und haben anschließend das Triple gewonnen – vielleicht ist das ja ein gutes Omen.“
Karl-Heinz Rummenigge, chinesischer Spagatkünstler
Schlagwort: China
Next stop: China
Die Empörungswelle rund um das Wintertrainingslager des FC Bayern ist im Laufe der Rückrunde dann doch – wie eigentlich erwartet – abgeebbt. Aber weder kann ich für mich davon sprechen, dieses Thema verdrängt oder gar vergessen zu haben, noch würde ich behaupten, dass mich nicht jetzt schon wieder die nächsten FC Bayern-Events dieser Art beschäftigen. Trotz aller zurückgekehrten Emotionalität im Rahmen der Kickerei von Robben, Müller & Co.
China ist hier das Thema.
Erste Infos zu diesem, für mich nicht konfliktfreien Thema, tröpfelten rund um die Pressemitteilung des FC Bayern zwecks Zusammenarbeit mit dem Chinesischen Staatsfernsehen.
Total Soccer, die populärste Fußball-Sendung des chinesischen Staats-Fernsehens CCTV-Sports, und der FC Bayern München arbeiten in Zukunft eng zusammen. Der deutsche Rekordmeister wird für das zweistündige internationale Fußball-Programm jeden Montagabend exklusive Interviews und Film-Material produzieren.
Ich versteh‘ schon. Neue Märkte, Auslandsvermarktung, Merchandising, etc. – zitierfähig ist aus meiner Sicht und im Kontext dieses Beitrages vor allem diese Aussage:
Für Karl-Heinz Rummenigge, den Vorstandsvorsitzenden des FC Bayern München, bedeutet diese Medien-Kooperation „eine einzigartige Möglichkeit, unsere Ideale und Werte bis in die äußersten Regionen des weltgrößten Sportmarkts zu transportieren.“
Welche „Ideale und Werte“ hier gemeint sind, könnte dieser Beitrag erläutern. Die klassischen Medien griffen das Thema erst ein paar Tage später auf…
Der Klub arbeitet verstärkt daran, sich international bekannter zu machen. Im vergangenen Sommer war die Mannschaft auf einer Reise in den USA, in diesem Juli wird sie nach China fliegen und voraussichtlich in Peking und Shanghai spielen. Jörg Wacker, beim FCB Vorstand für Internationalisierung und Strategie, hat vor Kurzem in einem Interview gesagt, dass es in China mehr als 170 Millionen Fußballfans gebe, darunter „fast 90 Millionen Bayern-Sympathisanten“: „Da sehen wir ein riesiges Potenzial, vor allem auch im Fanartikel-Verkauf.“
Womit wir wieder das beliebte Thema Trikots auf dem Tisch hätten. Anschließende Diskussionen zogen weitere Kreise – eben auch in Bezug auf (ältere) Aspekte rund um China, Asien, (Trikot-)Produktionsstätten, Arbeitsbedingungen und Co. (Was ich mich ja immer frage: Welche Chinesen sollen eigentlich all die FCB-Trikots kaufen? Die Arbeiter in den Fabriken doch eher nicht, oder?).
Wie mein Verein mit den Themen Katar und Saudi-Arabien umging, kann man gut, ausreichend oder schlecht finden – da war die gesamte Bandbreite dabei – relevant und Grundlage meiner Bewertung der Zukunft (hier: Sommertrainingslager in China) sind für mich die offiziellen Aussagen des FC Bayern. Über eine Stellungnahme…
Der FC Bayern München als Verein verurteilt jede Form von grausamer Bestrafung, die nicht im Einklang mit den Menschenrechten steht, wie im aktuellen Fall mit dem islamkritischen Blogger Raif Badawi. Es wäre besser gewesen, das im Rahmen unseres Spieles in Saudi-Arabien deutlich anzusprechen. […] Wir sind ein Fußballverein und keine politischen Entscheidungsträger, aber natürlich tragen am Ende alle, also auch wir, dafür Verantwortung, dass Menschenrechte eingehalten werden. […] Gerade unser Klub hat sich immer gegen jegliche Diskriminierung, gegen Gewalt und gegen Rassismus bekannt. Und wir machten und machen uns stets für Toleranz stark. Fußball ist immer auch im Dienste der Völkerverständigung unterwegs, Menschenrechte sind darin ein integrierter Wert.
…oder im persönlichen Gespräch, dessen Inhalte für die Öffentlichkeit freigegeben wurde.
Der Verein sieht zwischen dem Trainingslager in Katar und dem Testspiel in Saudi-Arabien einen Unterschied. […] Dreesen meinte sinngemäß, es wäre besser gewesen, im Rahmen dieses Testspiels deutlich das Thema der Menschenrechte anzusprechen und die Haltung des FC Bayern dazu klarzumachen. […] Es gibt offenbar auch keinen langfristigen Vertrag mit Katar (oder mit einem Sponsor). Und es gibt Stand heute noch keine Entscheidung, wo das nächste Trainingslager stattfinden wird. […] Nach eigenen Angaben wurde dem Verein die Brisanz des Reiseziels erst so richtig bewusst, als das Thema von den Fan-Diskussionen auf Twitter ausgelöst (so hat Dreesen das auch verstanden) und von den Medien breitgewalzt wurde. […] Ich empfahl Herrn Dreesen, wie auch immer die Entscheidung fürs nächste Trainingslager ausfällt, diese besser, offener und differenzierter zu kommunizieren.
Die Aussagen des FC Bayern sind imho eindeutig und daran werde ich ihn auch messen. Nur „Jubelperser“-Fotos und massentaugliche Social-Media-Beiträge oder eben auch einmal ein kritisches Wort hier und da.
Natürlich kann mein Verein nichts dafür, dass mir im mittleren Alter „plötzlich“ mein (politisches) Gewissen immer mehr Anlass zum Nachdenken gibt, aber ich als Fan dieses Vereins – und dies seit den 70er-Jahren – darf ihn imho durchaus nach seinem Handeln bewerten. Denn auf dieser Bewertung wird mein Urteil für meine mittel- bis langfristige Entscheidung basieren – in Abwägung gegen mein (politisches) Gewissen – ob ich auch in Zukunft Teil des Zirkus Fußball sein will.