Von Elfmetern, Experten und jeder Menge Emotionen

Das Ende ist nah.

Diesen Eindruck könnte man gewinnen, wenn man die Stimmung rund um den FC Bayern in diesen Tagen beobachtet.

Wir haben in Leverkusen, einer Mannschaft, die – zugegeben – tabellarisch schon besser da stand, nur 0:0 gespielt (einem Auswärtsspiel, welches mich schon in den 90ern frustriert hat (Ulf Kirsten!)) und zuvor im Hinspiel des Championsleague-Viertelfinale zuhause gegen Real Madrid mit 1:2 verloren. WELTUNTERGANG.

Natürlich, schön ist anders, aber wie kann sich der Wind hinsichtlich Carlo Ancelotti innerhalb einer Woche zum wiederholten Male in die entgegen gesetzte Richtung drehen? Ancelotti sollte ob seiner Erfolge als Trainer im Prinzip über jeden Zweifel erhaben sein, in den Augen der Kritiker der letzten Tage wirkt er aber wie ein 25-Jähriger, der gerade seine Trainerlizenz erworben hat und jetzt unseren schönen FC Bayern pulverisiert.

Wie soll ein Trainer reagieren, wenn ein Lewandowski sich bei einem Foul im Spiel gegen Dortmund so an der Schulter verletzt, dass er tatsächlich einmal ausfällt und man sein Fehlen unmittelbar merkt, weil er schlicht nicht ersetzbar ist? Wir haben keinen zweiten Mittelstürmer im Kader? Natürlich. Spieler wie Pizarro wachsen nicht auf Bäumen und solche von der Klasse eines Lewandowski setzen sich nicht freiwillig auf die Bank. Würden sie dies tun, würden die gleichen Kritiker Ancelotti dafür kritisieren, dass man zwei solche Spieler im Kader hat und man so immer Unruhe in das Team bringt.

Wie soll ein Trainer damit umgehen, wenn ein Vidal einen (zweifelhaften) Elfmeter gegen Real in bester Uli-Hoeneß-Manier in die Münchner Umlaufbahn entsendet? Ob der Italiener derlei im Training trainieren läßt? Also Field-Goal-Versuche jetzt?! So wie ein Pep Guardiola Thomas Müller beigebracht hat, Elfmeter gegen Atletico Madrid zu versemmeln?

Wie soll ein Trainer reagieren, wenn ein Javier Martinez sich zwei dumme, gelb-würdige Fouls gegen solche Kirmeskicker wie Ronaldo leistet, seine Mannschaft in Unterzahl gegen ein Weltklasse-Team spielen muss, welches die Weltklasse besitzt, ein Überzahlspiel in Vollendung zu spielen? Hatten wir schon darüber gesprochen, wie wenig Einfluss Trainer vom Spielfeldrand – während des laufenden Spiels – auf die Spieler haben?!

Man könnte hervorheben, dass ein zuvor verletzter Weltklasse-Torhüter a la Neuer, von Null auf Hundert auf den Königsklassenplatz zurückkehrt, den Eindruck erweckt, nie weg gewesen zu sein und die Königlichen schier mit seinen magischen Reaktionen auf der Linie zur Verzweiflung bringt. Man könnte erwähnen, dass Neuer so seine Komplettheit aus „modernen Torhüter“ (Technik, Ballbehandlung, Ersatzlibero) und „Kahn’scher Liniendominanz“ präsentiert. Man könnte, es wäre aber weniger „Drama“, weniger „alles geht den Bach runter und ich publiziere als Erster die schlimmste Schlagzeile“.

Damit mich keiner falsch versteht – ich war nach #FCBRMA auch maximal enttäuscht. Wegen, weil Real halt. Und Ronaldo. Und Ramos. Und überhaupt. Aber was hätte es daran geändert, dass wir – schon wieder – zur Unzeit, Probleme mit unserem Kader bekommen (wer beide Verletzungen von Hummels & Boateng, plus Gelb-Rot-Sperre Martinez, vor der Ausleihe von Badstuber vorhergesagt hat, bitte ich um die nächsten Lotto-Zahlen), Verletzte und Sperren zu beklagen haben und im Fußball tatsächlich doch nicht alles planbar ist. Ob mit einem Trainer Guardiola oder dem aktuellen Übungsleiter Ancelotti.

Richtig genervt bin ich hingegen über die Berichterstatter, die Guardiola seinerzeit regelrecht aus dem Amt geschrieben haben für sein Training, seine Taktik, sein angebliches – rücksichtsloses – Verbrennen von Kader-Ressourcen und die nun, wo ähnliches bei seinem Nachfolger passiert, mit keiner Silbe, keinem Tastendruck einen Hauch von Selbstkritik empfinden. Das ist bedauerlich, aber auch dies läßt sich nicht ändern.

Alles in allem – zusammen gefasst – müssen wir konstatieren, dass wir selbst das Problem sind. Uns fehlt Demut, Gelassenheit und eine Prise Abstand zu all dem Zirkus. Wie wäre eine Sichtweise, dass wir gesegnet waren, diese tollen Jahre seit 2007 mit zu erleben?

Was waren wir stolz, dass endlich solche Weltstars wie Ribery und Toni, später Robben, gar Trainer vom Schlage eines van Gaal oder später Guardiola, jetzt Ancelotti, keinen Bogen mehr um München machten, um nach Italien oder Spanien zu wechseln. Sicher, auch Geld spielte da eine Rolle, aber auch hier: Begeisterung, dass auch wir mal 40.000.000,00 Euro für ein Spieler wie Martinez berappen und nicht mehr nur all die 5-bis-15-Mio-Transfers aus der Bundesliga als das Allheilmittel betrachteten. Ergebnis: Ein Triple.

Jede Ära hat ihre Zeit (sic!) und wann genau ist uns dann besagte Dankbarkeit und Gelassenheit abhanden gekommen, diese Leistung dieser Mannschaft rund um Lahm, Schweinsteiger, Ribery und Robben ausreichend zu würdigen? Es muss einfach immer nur so weiter gehen? Sieg an Sieg, Titel an Titel? Jeder Fan, jedes sonstige Mitglied des Fußball-Hamsterrad, welches inzwischen in diesem Stadium angekommen ist und alleine nicht mehr heraus findet, hat mein Mitgefühl.

Ich will mich hier gar nicht überhöhen und von all diesen Verlockungen der Erfolgssehnsucht frei sprechen, aber meine Aufgabe ist ja gemeinhin der Schritt zur Seite, zurück oder nach vorne, der Blick auf das „Große Ganze“ und dabei sehe ich einfach eine tolle Zeit, tolle Erinnerungen, die ich noch meinem Fußballnachwuchs erzählen kann. Es wird heuer wohl die fünfte Bundesliga-Meisterschaft für den FC Bayern in Folge geben. Fünf(!) Titel in Folge. Ein weiterer Rekord nach dem vierten Rekord-Titel im Vorjahr, dem wir schon vor 40 Jahren vergeblich hinterher gejagt sind. Zusätzlich stehen wir gegen Dortmund erneut mit einem Bein vor dem erneuten Pokalfinale in Berlin. Reicht es nicht irgendwann? Muss es auch die sechste Salatschüssel sein, dass x. Double? Nein, nicht für mich. Wir müssen einen Umbruch einleiten. Lahm, Alonso gehen, Ribery und Robben im nächsten Jahr. Die Jugendjahrgänge unterhalb der aktuellen Bayern-Amateure erscheinen vielversprechend – nach allem was Interessierte, Augenzeugen und sonstige Nicht-Stammtisch-Experten berichten.

Ferner das neue Nachwuchsleistungszentrum, welches seiner Fertigstellung entgegenfiebert. All das muss geschehen, all der Nachwuchs braucht Chancen, Kaderplätze, Spielzeiten, denn gehen wir den Schritt nicht, gehen ihn u.a. Hoffenheim und Leipzig. Und wer bisher noch nicht aufgewacht ist, sollte es bei der Erwähnung dieser Teams und einem Blick auf die aktuelle Tabelle schleunigst tun.

Wer sich zurücklehnt und einfach nur abwartet, wie lange die aktuelle Generation noch Sprit im Tank hat, wird morgen abgehängt. Von daher gibt es viel zu tun, ein Zerlegen des eigenen Verein, ob einer schlechten Halbzeit gegen den Championsleague-Titelverteidiger, ist keine dieser Optionen!

Beschäftigen wir uns nicht mit Dingen, die wir nicht mehr ändern können, konzentrieren wir uns darauf, dass wir am Dienstag in Madrid beim Anpfiff mit 1:2 hinten liegen und Real vor der Bestia Negra genau so viel Angst – oder von mir aus Respekt – hat, wie wir uns gerade in den Abgrund reden. Wir brauchen kein Wunder, wir müssen nur als Team zusammen stehen, wir sind keine „2008-unter-Klinsmann-gehen-wir-mit-Lell-gegen-Barcelona-im-Viertelfinale-unter“ – Kicker mehr. Es ist der letzte Ritt dieser großartigen Generation (schon wieder) und wir sollten mitreiten. Zeit für Sorgen haben wir ab Mittwoch, reissen wir uns einfach noch mal zusammen, egal ob wir mit Alaba & Kimmich in der Innenverteidigung spielen oder gelernten Kräften (muss ich hier an 2015/16 und Schlagzeilen wie „Kimmich als IV – Zu-Null-Garant“ erinnern?)!

Auf geht’s, Ihr Roten!