Gastbeitrag: Das erste Mal

Es ist schon so ein Ding mit den leicht dahin gesagten Floskeln, der großen Klappe, dem rheinischen Humor. Wie immer es man nennen mag.

Da lernt man einen Mann kennen, ganz nett, da sagt frau halt schon mal Dinge wie: „Klar, gehe ich mit dir mal zum Fußball. Wenn Bayern in der Bundesliga gegen Fortuna spielt.“ Hätte mir vor 16 Jahren jemand gesagt, dass ich ihm Jahr 2012 mit dem Kerl verheiratet sein würde, hätte ich wahrscheinlich amüsiert gelächelt. Hätte mir jemand gesagt, Fortuna spielt dann wieder in der 1. Liga, hätte ich wirsch geantwortet, dass man mit so was keine Scherze macht.

16 Jahre sind rum. Ich bin mit dem Kerl verheiratet. Fortuna ist endlich wieder in der 1. Liga. Ich musste ins Stadion.

Ich bin keine Träumerin. Mir war klar, dass das Ergebnis furchtbar werden würde. Ehrlich gesagt, ich hätte tippen sollen. So hätte ich immerhin noch Punkte geholt. Egal. Aber an alle Mädels da draußen kann ich nur einen Tipp weitergeben. Wollt ihr euren Mann zum Fußball begleiten, dann wählt irgendein Spiel. Aber nicht das gegen die Mannschaft, mit der ihr groß geworden seid, deren Farben ihr als Kind um den Hals getragen habt, bei denen ihr schon als I-Dötzchen mal am Spielfeldrand standet. 90 Minuten Langeweile sind kein Problem in einer langjährigen Beziehung. 90 Minuten stiller Support, Leiden zwischen Andersdenkenden, können eine harte Probe sein.

Immerhin, wir haben oft gleichzeitig gezittert. Gleichzeitig geklatscht. Nur unterschiedlich motiviert. Er für den guten Angriff, ich für die immerhin ab und zu gelungene Abwehr.

Ich bin die Tochter eines Jägers. Ich weiß, warum ich diesen nie begleitet habe. Wie fasste der Göttergatte das Spiel nochmal zusammen – „Hasenjagd“. So viel dazu. Ich weiß jetzt, warum ich ihn dazu nicht hätte begleiten sollen.

Nur soeben konnte ich mich beherrschen, den eisgekühlten Bommerlunder, Begleiter meiner Jugend, nicht lauthals mitzugrölen. Dass ich vor lauter Pfiffen nicht gehört habe, warum die Toten Hosen auf dem Feld waren, hat mich schon leicht sauer gemacht. Richtig gefreut habe ich mich, dass das erste Tor der Bayern keins war. Allerdings ehrlicherweise nicht wegen Fortuna, sondern wegen des Grobmotorikers, der mir eine Bierdusche verpasst hat. Nein, nein, ich grab hier jetzt keine schlechten Klischees aus von wegen Männer und Multitasking. Aber bitte, von einem Fußballfan erwarte ich zumindest, dass er sein Bier bei sich behalten und jubeln kann. Wäre es wenigstens Alt gewesen…

Dann sitz ich natürlich noch genau da, wo der nächste Fan meint, ein bisschen Feuerwerk machen zu müssen. Das können wir Düsseldorfer selber.

Dem Fan neben mir konnte ich zumindest ab dem 0:2 nix mehr vormachen. „Des lässt di recht koalt, geh? Is nur dei Mann Fan?“ Nicken. „Und ich bin Düsseldorferin.“ – „Oha.“ Und dann kam es noch schlimmer. Eigentlich netter, aber irgendwie schlimmer. Ich bekam Mitleid. „Wir spielen in einer anderen Liga. Aber der Fan-Support ist super.“

Ja, danke, ich weiß.

Was meinte ein Kollege später zu mir? „Du, du willst doch kein Mitleid. Du willst doch Rache.“ Stimmt. Aber wie gesagt, ich bin realistisch, keine Träumerin. Ich erwarte keine Rache auf dem Spielfeld. Aber was hat mein Mann gleich noch mal gesagt, als wir uns kennenlernten – er sei an Kultur interessiert? Was läuft eigentlich gerade in der Bonner Oper?

35 Gedanken zu „Gastbeitrag: Das erste Mal“

  1. Stark.
    Das Frau ihr Wort hält
    Allerdings hätte Mann jaauch neutrle Karten ordern können.
    Mit seiner fünfstellgen Mitgliedsnummer 😉
    Sehr schöner Bericht, weil sehr auf den Punkt.
    Und zwar so richtig schön.
    Den Gatten kenne ich schon,
    die Gattin würde ich das nächste Mal auch gerne kennenlernen. Bei nächsten #tkss oder wann auch immer sich Gelegenheit bietet.
    aber das nur am Rande!
    zurùck zum Thema.
    Sehr schön.
    Sagte ich das bereits?
    egal.

  2. Oha, das klingt nach erster „Ehekrise“ nach 16 Jahren. Warum seid ihr nicht in die Düsseldorfer Kurve gegangen. Dann hätten wenigstens beide gelitten.

  3. Paula statt Paule. Ist ja fast wie Mario statt Mario: vorher war’s schon gut, aber des einen Verletzung ist des anderen Chance … 😉

    Ich heuchel jetzt mal kein Mitleid, ist ja schließlich Fußball, aber – und das ohne Flachs – es war nett, Dich (kurz) kennengelernt zu haben. 🙂

  4. Ha, ha, ha – schön, auch mal eine andere Sichtweise kennen zu lernen! 🙂

    Meine Frau ist Italienerin und zum Glück habe ich nie vorgeschlagen, mit ihr ein Länderspiel zu besuchen… Mir reicht das regelmäßige Desaster am TV gegen die Tifosi schon vollkommen…

    Aber zurück zum Spiel! Nach den letzten Wochen, war ich eigentlich zuversichtlich, auch den Rekordsieg feiern zu dürfen – trotz des ernüchternden Ausflugs nach Weissrussland….

    Das wir dann aber ein derart lockeres Trainingsspielchen mit so einem eindrucksvollen Ergebnis genießen durften, hätte ich nicht erwartet! Mittlerweile wird’s fast ein bißchen unheimlich…

    Und das Ergebnis im Revierderby hat mich auch nicht gerade traurig gestimmt… Wobei es in diesem Fall nicht nur das Ergebnis war, sondern auch das Zustandekommen desselben. Nicht unglücklich oder zufällig, sondern offenbar durchaus verdient.

    Jetzt darf man gespannt sein, wie die Sache mit Frooonks Landleuten läuft!
    Das Fanleben kann ja so entspannend sein… Werden wir diese Saison etwas für die Leiden der letzten zwei Jahre vom Schicksal verwöhnt? 🙂

    Was mir einzig ein bißchen Sorge macht, ist, dass Mario Gomez offenbar langsam in Vergessenheit gerät. OK, tägliche Wasserstandsmeldungen sind in seiner Lage sicher nicht hilfreich, aber es ist doch auffällig still um Super-Mario geworden.
    Wäre schön, wenn man mal wieder ein paar positive Nachrichten von ihm hören würde.

  5. @Simply Red:
    Meine Freundin ist Portugiesin. Es ist kein Geschenk mit Christiano Ronaldo konkurrieren zu müssen 🙂

  6. Sehr schön. Nur eines: der korrekte bayerische Terminus für „Mann“ lautet „Mo“.
    Wohingegen „Frau“ einfach nur „Oide“ heißt. 😉

    Nein, schöner Bericht. Und die Stimmung war ja wirklich auf beiden Seiten stark. Das gibt’s wohl auch nur gegen den FCB.

  7. Richtig toller Beitrag. Mit Witz und Augenzwinkern. Und im Rückspiel gibt es dann den Überraschungssieg der Fortuna… ansonsten halt zwei Mal „Le Nozze de Figaro“ im Bonner Opernhaus!

  8. Respekt für das gehaltene Versprechen! Da gehört einiges dazu.

    Sehr schöner Beitrag! Ansonsten wird’s bei uns ja schon fast unheimlich ruhig, so gut läuft’s … aber jetzt wird’s erst richtig interessant. In der Champions League dürfen wir uns keinen Blödsinn mehr erlauben, und in der Bundesliga werden wir jedes Pünktchen brauchen können, das wir bisher gesammelt haben.

  9. Sehr schön! Danke und gerne mehr. 🙂

    Und @ Paule:
    Deine schamlosen Lügen beim ersten Date sind inzwischen hoffentlich hinreichend bestraft worden. Figaros Hochzeit wäre da noch zu mild. Angebracht fände ich eher akustisches Kopfweh beim Festival für Neue Akkordeonmusik oder ein schönes Free-Jazz-Konzert.

    Ansonsten scheinst du aber alles richtig gemacht zu haben. 😉

  10. Sehr schön geschrieben. Vor allem bedienst Du Dich nicht dieser kurzen Sätze, die Dein Mann gerne nutzt. Die nerven nämlich mittlerweile…sorry, aber musste mal raus.

  11. Wunderbar. Dann hoffen wir alle auf einen Gastbeitrag aus München in nicht zu ferner Zeit… hoffentlich nicht 16 Jahre.

  12. Gibt’s in Bonn auch Die Walküre? Wäre thematisch ja passend, und dauert für Wagners Verhältnisse kurzatmige 4 Stunden (ohne Pausen und Applaus).

    Was zum Spiel:
    Interessant oder Zufall: Heynckes hat sogar bei der Rückkehr der fehlenden Außenverteidiger eisern an der Stamm-Viererkette festgehalten und nicht positionsbezogen gewechselt.

    Bei einem 0:3 hat der Jupp also zunächst einen defensiven Mittelfeldspieler für Zehner Kroos gebracht. Dann kam einer linker AV für Spitze Mandzukic und schließlich ein rechter AV für Dirigent Schweinsteiger.

    Siehst Du, Jogi, so wird die Null betoniert.

  13. @Der General: Ich glaube weniger, dass die Wechsel taktischer Natur waren, sondern dass eben diese Spieler noch zum Einsatz kommen sollten. Martinez sowieso und die anderen beiden eben nach Verletzung, zu einem Zeitpunkt, wo kein Zweifel mehr am Sieg bestand.

  14. @Gunnar: gut möglich. Nur eben auffällig, dass in der Abwehr partout nicht rotiert wird.

    Die Vier haben bislang jede BuLi-Minute gespielt und wer will eine Abwehr umbauen, die in acht Partien noch kein Tor aus dem Spiel heraus kassiert hat?

  15. Irks, ist jetzt mein Kommentar im Orkus gelandet? Mist, kein Bock nochmal alls zu tippen…
    Nur soviel nochmal: aufgrund der diversen Verletzungen konnte in der Abwehr bisher ja auch gar nicht rotiert werden. Wird sich dann wohl demnächst ändern, zumindest in Maßen.

  16. Viel Spaß in der Oper Paule!
    Bin schon gespannt auf die beiden dann folgenden Nachberichte aus unterschiedlichen Perspektiven 😉

  17. Schöne Idee, die Gattin den Bericht zu diesem für euch besonderen Spiel schreiben zu lassen. Dazu ist der Beitrag noch sehr gelungen.

    Zur Abwehr:

    Ich denke schon dass da demnächst auch mal gewechselt wird. Vielleicht nicht unbedingt morgen in Lille. Wie uns das ohne-Schweinsteiger-Experiment in Weißrussland (hoffentlich) gelehrt hat, wäre das wohl eher kontraproduktiv. Aber am Sonntag gegen Leverkusen könnte ich mir Alaba in der Startelf durchaus vorstellen. Ohnehin wird Badstuber nicht dauerhaft LAV spielen wenn Alaba fit ist. Der Holger wird aber deswegen nicht auf der Bank versauern, wie einige nach dem Schweden-Spiel hier schon unkten. Mittel- bis langfristig wird er in der IV (mMn zurecht) gesetzt sein. Dante und Boateng werden dann um den Posten neben ihm kämpfen und ggf. rotieren. Natürlich nur, wenn alles normal läuft und sich keiner der Drei verletzt oder in ein tiefes Formloch fällt.

  18. schöne Schreibe, Paulinchen, da kann sich derr Herr Gemahl ja fast noch mal ne Scheibe abschneiden. Als Düsseldorferin in Köln wohnen und mit nem Bayernfan verheiratet sein, schrammt man da nicht kurz vor der Enterbung entlang?

  19. Danke für den Gastbeitrag. Hat mir sehr gut gefallen. Und Wagner wäre wirklich eine Überlegung wert – mir macht es zumindest immer Spaß. Aber man braucht schon Sitzfleisch. Mozart wäre ja eigentlich zu freundlich, weil zu unterhaltsam und zu leicht. Da darf es (wie eben am Wochenende für Düsseldorf) schon etwas schwere Kost sein.

    Das Spiel hat mir (verständlicherweise) sehr gut gefallen. Ribéry in Ausnahmeform und mit einer Lauffreude, die eine wahre Pracht ist. Schweinsteiger ist einfach unersetzlich in der aktuellen Mannschaft. Lediglich Lahm sollte sich so langsam mal hinterfragen, ob seine Spielweise noch in die Mannschaft passt – meine Güte, der spielt ja fast nur noch Rückpässe. Kein Wunder, dass der auf eine sehr gute Passquote kommt. Sind ja fast nur Sicherheitsbälle. Der Rest sind Flanken, die so gut wie nie ankommen. Da sollte er mal dran arbeiten. Aber das ist Kritik auf hohem Niveau, angesichts der Teamleistung.

  20. Sehr schöner Beitrag, danke sehr und gerne mehr. Und als Fan kann ich die Gefühle sehr gut nachvollziehen. Und auch wenn die 90 Minuten natürlich grausam waren (für die Fortuna-Fans). Lieber so ein Spiel, als knapp verloren, obwohl man gefühlt die bessere Mannschaft war. Solche Spiele hängen Jahre nach.

    Ich bin sehr gespant auf die Partie morgen in Lille. Wird ja für Monsieur ein Heimspiel bei seinem Jugendkub. Sie haben ihn rausgeworfen, weil er zu klein war. Verlieren ist verboten, aber ich glaube, das schaukeln die Münchner. Und dann schauen wir am Mittwoch alle ganz entspannt, was die Schwarz-Gelben fabrizieren.

  21. 16 Jahre – lange Zeit! 🙂 Eigentlich wollte ich gestern schon was dazu schreiben, aber dann dachte ich mir: du siehst den Paule morgen im Büro, 2.0 ist schön – aber dann doch lieber mal direkt fragen.
    Sprachlich habt ihr euch jedenfalls schon arrangiert, das war das erste, was mir aufgefallen ist. Also stilistisch. Vielleicht ist das so. In 16 Jahren.
    Mahlzeit! 🙂

  22. @ antikas
    Na, immerhin kannst Du Deine portugiesische Freundin nach so ziemlich jeder Zusammenkunft Ihres Helden gegen unsere Truppe breit angrinsen… 🙂
    Ich kann mich nach Spielen gegen die Tifosi dagegen meistens erst nach ein paar Stunden Holz hacken entspannen und werde dann morgens neben einer grinsenden Frau im blauen Trikot wieder wach…

    Gönnen wir Deiner Freundin also ausnahmsweise Mittwochabend ein bißchen Spass! 🙂

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