Top-10-Platz: 7
Spiel: Werder Bremen – FC Bayern
Datum: 22.04.1986
Ort: Bremen, Weserstadion
In der Fußball-Bundesliga gibt es keine Endspiele um die Deutsche Meisterschaft. Offiziell. Inoffiziell jedes Jahr, jede Menge. 1986 war das nicht anders. Um den Titel kämpften Bayern und Werder Bremen. Der Titelverteidiger aus München lag zumeist hinter den Bremern, die langersehnte erste Meisterschaft für Werder in der Rehhagel-Ära schien ganz nah.
Besagtes Endspiel fand am vorletzten Spieltag in Bremen statt. Im Hinspiel verletzte sich Top-Stürmer Völler nach einem Foul von Klaus Augenthaler, die Atmosphäre war entsprechend aufgeheizt. An besonders schlimme und harte Fouls in diesem Spiel kann ich mich zwar nicht erinnern, aber eng war es auf jeden Fall, das 0:0 hatte lange Bestand.
Würde Bremen das Spiel bei 2 Punkten Vorsprung gewinnen, wären sie Meister, bei allen anderen Ergebnissen die Entscheidung vertagt gewesen.
In diese Vorgeschichte, diese Ausgangslage, dieses Spiel hinein bekam bei einem Zweikampf, mit dem zuvor nach einem halben Jahre erstmal wieder eingewechselten Rudi Völler, im Bayern-Strafraum Sören Lerby den Ball an die Brust, die Schulter, oder ins Gesicht geschossen. Der Schiedsrichter entschied in der 90.Minute fälschlicherweise auf Handelfmeter.
Das Stadion, die halbe Nation stand Kopf.
Zu Recht. War doch damals Michael Kutzop, Bremens etatmäßiger Schütze die sicherste Bank der Liga.
Überlagert von Protesten der Bayern und Tumulten in und um den 16-Meter-Raum stand Kutzop, bereit zur Vollendung der Meisterschaft.
Gefühlte Ewigkeiten später steht er da, der Held aller deutschen Fußball-Fans, die nichts mit dem FC Bayern zu tun haben. Er läuft an, halb Deutschland läuft mit. Er schießt…
Neben Jean-Marie Pfaff und einigen anderen Bayern-Fans, höre auch ich wohl heute immer noch das Klatschen von Leder auf Aluminium. Lähmendes Entsetzen. Stille. Abgesehen von grenzenlosem Jubel einiger weniger Bayern in Bremen und Fans wie mir, die zuhause in Ihrem Zimmer die Live-Übertragung beim ZDF gebannt verfolgt hatten.
Innerlich hatte ich mich schon mit einem Rehhagel-Meister abgefunden. Dann das. Es konnte nicht sein. Kutzop verschießt einen Elfmeter. Diesen Elfmeter!
Der Rest war Euphorie. Und Klassiker.
Heute kaum noch vorstellbar: Die Interviews nach dem Spiel führte Dieter Kürten in der Bremer Vereinskneipe. Am Tresen saßen Rehhagel, Lattek und die sonstigen Verdächtigen.
Im Gedächtnis blieben mir zwei Sätze.
Rehhagel: „Wir wollen nichts geschenkt haben. Wenn durch diesen Elfmeter die Meisterschaft entschieden worden wäre, wäre die Hölle los gewesen.“
Da hat er nicht Unrecht. Zum einen weil Bremen nach diesem Spiel immer noch 2 Punkte Vorsprung hatte, nur noch einen Punkt zum Titel benötigte und zum anderen weil der Elfmeter definitiv eine Fehlentscheidung war.
Das Highlight kam allerdings von Bayern-Trainer Lattek auf die Kürten-Frage, ob er denn ein schlechtes Verhältnis zu Trainer-Kollege Rehhagel habe: „Ich habe kein schlechtes Verhältnis zu ihm. Ich habe überhaupt kein Verhältnis zu ihm.“
Die anwesenden Bayern-Fans brachen in Gejohle und Jubel aus.
Wer das jetzt merkwürdig findet: Wir sprechen hier von den Zeiten im Verhältnis zwischen Bayern und Bremen, als es noch verblendete Ideologen à la Willi Lemke mitspielten, der den „Konflikt“ zwischen diesen beiden Fußball-Vereinen immer auf gesellschaftliche und politische Ebenen hob: Gut gegen Böse, SPD gegen CSU, Links gegen rechts.
Das war damals wie heute genauso dumm wie polemisch und platt. Zum Glück hat Lemke im Verein heute kaum noch was zu melden und scheiterte er vor zwei Jahren nach seiner Flucht in die Politik bei der Mitgliederwahl der Bremer SPD klar an Jens Böhrnsen und verharrt somit auf einem Senatsposten. Aber ich schweife ab.
Dieses Spiel hätte am Ausgang der Bundesliga-Saison rein gar nichts geändert, wenn den Bremern nicht am letzten Spieltag zusätzlich die Nerven geflattert und sie mit 1:2 beim VfB Stuttgart verloren hätten.
Aber das ist ein anderes Thema.
P.S. Dieser Beitrag war übrigens schon vor dem gestrigen Spiel geplant.